Scheckenbach, Frank (2005). Molekularbiologische Untersuchungen zur Biodiversität heterotropher Flagellaten. PhD thesis, Universität zu Köln.
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Abstract
Die Diversität von Protisten ist nach wie vor sehr umstritten. Die Morphologie ist seit über 200 Jahren der "Goldstandard" für die Bestimmung von Protisten, weist aber schwerwiegende Mängel auf, da erkennbare morphologische Merkmale oftmals fehlen. Der hohe Anteil morphologisch nicht unterscheidbarer - kryptischer - Arten innerhalb nominaler Arten, führte zu der Vermutung, dass morphologisch bestimmte Arten von Protisten lediglich eine Fassade sind, hinter welcher sich eine hohe Anzahl kryptischer Arten verbergen. Da unterschiedliche Arten mit der Zeit genetisch divergieren, wurde die intraspezifische genetische Distanz der kleinen ribosomalen Untereinheit aus Kern-DNA einiger der am weitesten verbreiteten Morphoarten heterotropher Flagellaten, ebenso wie beispielhaft die Ultrastruktur einer genetisch deutlich strukturierten Morphoart untersucht, um Licht auf die Natur und Relevanz kryptischer Arten zu werfen. Artbildung kann sowohl in Allopatrie, als auch in Sympatrie stattfinden und hierbei am leichtesten entlang steiler ökologischer Gradienten, weshalb Stämme von geographisch und ökologisch unterschiedlichen Orten isoliert wurden, um eventuell evolutionär relevante Muster zu finden. Drei wichtige Resultate wurden in dieser Dissertation erzielt. Erstens scheint die genetische Divergenz zwischen Isolaten aus marinen Habitaten und Süßwasser der Morphoart Ancyromonas sigmoides das Ergebnis evolutionärer Prozesse zu sein. Ökologische Faktoren wie der Salzgehalt können offensichtlich bedeutend für die Diversifikation in evolutionären Zeiträumen sein. Zweitens ergab die ultrastrukturelle Untersuchung der morphologisch nicht unterscheidbaren und genetisch stark divergierenden Stämme der Morphoart Caecitellus parvulus mehrere unterscheidbare Merkmale zwischen den unterschiedlichen Abstammungslinien, welche zu der Beschreibung von 3 - pseudo-kryptischen - Caecitellus Arten führte. Drittens impliziert das hohe Maß intraspezifischer, genetischer Divergenz innerhalb der untersuchten Arten, sowie des GenBANK-Datensatzes, eine große Zahl kryptischer Arten innerhalb von Morphoarten von Protisten, insbesondere innnerhalb der in dieser Dissertation untersuchten kleinen, heterotrophen Flagellaten, welche als ökologische Generalisten erscheinen. Schätzungen der Gesamtartenzahl zeigten, dass die Anzahl an Protisten eine Größenordnung höher liegen sollte, als auf Grund von Schätzungen, basierend auf Morphoarten, angenommen wird. Die Ergebnisse zeigen, dass morphologisch nicht unterscheidbare, nominale Arten von Protisten sehr wohl ökophysiologisch und ultrastrukturell unterschiedliche taxonomische Einheiten - vermutlich Arten - beherbergen können, und somit die Diversität von Protisten als deutlich unterschätzt angesehen werden muss. Eine hohe intraspezifische genetische Divergenz sollte demzufolge nicht nur als das Resultat neutraler Mutation, im Sinne der neutralen Theorie molekularer Evolution, betrachtet werden, wie es einige Autoren vermuten. Die Morphologie scheint häufig einer Fitness der Form zu entsprechen, welche durch einen hohen Selektionsdruck in ein Höchstmaß an Anpassung gezwungen wird, um dort bis in alle Ewigkeit zu verharren, wohingegen andere Merkmale sich ändern können. Eine ähnliche Morphologie mag demzufolge oftmals eher die Folge von konvergenter oder paralleler, morphologischer Evolution oder einfach nur die Folge eines gemeinsamen Vorfahren sein, als das Resultat der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Art. Die Morphologie könnte demnach vielfach evolutionäre Prozesse maskieren, wie Ancyromonas und Caecitellus zeigten. "DNA barcoding" hat sich als nützlich erwiesen, die Schwierigkeiten mit dem morphologischem Artkonzept zu umgehen und kryptische Arten hervorzuheben, wenn die äußere Erscheinung trügt, kann aber alleine genommen das schwierige Problem des Artkonzeptes für Protisten nicht lösen. Integrative Taxonomie ermöglicht es, ein Licht auf das Ausmaß an inter- und intraspezifischer Variabilität werfen, um Artgrenzen exakt bestimmen zu können und in Folge all die Arten aufzudecken, welche sich hinter der Fassade einer Morphoart verbergen. Was Nanney mit Blick auf Ciliaten als das "zentrale Rätsel der Vererbung" bezeichnete - die Beziehung zwischen Genotyp und Phänotyp -, ist das Problem welches die Protistologie in naher Zukunft lösen muss. Dies ist definitiv nicht trivial und muss für viele Modellorganismen von Protisten noch untersucht werden, ist aber unbedingt nötig, wenn wir jemals einen Ahnung davon bekommnen möchten, was als eine der größten Wissenslücken in der Protistologie bezeichnet werden kann - die Diversität der Protisten.
Item Type: | Thesis (PhD thesis) | ||||||||
Translated abstract: |
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Creators: |
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URN: | urn:nbn:de:hbz:38-17125 | ||||||||
Date: | 2005 | ||||||||
Language: | German | ||||||||
Faculty: | Faculty of Mathematics and Natural Sciences | ||||||||
Divisions: | Faculty of Mathematics and Natural Sciences > Department of Biology > Zoologisches Institut | ||||||||
Subjects: | Life sciences | ||||||||
Date of oral exam: | 16 January 2006 | ||||||||
Referee: |
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Refereed: | Yes | ||||||||
URI: | http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/1712 |
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