Schraad-Tischler, Daniel (2009). Liberal-rechtsstaatliche Normen und das EU-Politikfeld Innere Sicherheit. PhD thesis, Universität zu Köln.

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Abstract

Die vorliegende Studie untersucht die Entwicklung liberal-rechtsstaatlicher Leitvorstellungen im EU-Politikfeld Innere Sicherheit. Die in den letzten Jahren verstärkt diskutierte Frage nach dem Stellenwert liberal-rechtsstaatlicher Normen im Zusammenhang mit dem Ziel einer wirksamen Gewährleistung Innerer Sicherheit ist längst keine rein nationalstaatliche Problematik mehr. Vielmehr muss man auch die Ebene der Europäischen Union mit in den Blick nehmen, in der sich innerhalb der letzten drei Jahrzehnte ein durchaus eigenständiges Politikfeld Innere Sicherheit entwickelt hat. Viele Untersuchungen zum �Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts� (RFSR) betonen dabei, dass der Fokus der Union in diesem Bereich allzu sehr auf das Ziel der �Sicherheit der Bürger� (vgl. Art. 29 EUV) ausgerichtet ist. Aus einer wissenschaftlichen Perspektive werden sowohl auf einer diskursiven als auch auf einer politikpraktischen Ebene starke Versicherheitlichungsprozesse konstatiert, die sich negativ auf die Dimension von Grundrechten und bürgerlichen Freiheiten auswirken. Diese Einschätzungen kontrastieren jedoch in gewisser Weise mit dem ebenfalls grundlegenden Bild der Union als einer betont freiheitlich-rechtsstaatlichen Gemeinschaft. Demokratie, Freiheit, Achtung der Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit sind Kernprinzipien des �Gemeinschaftsethos� der Europäischen Union, wie es sich klar etwa in Art. 6 EUV ausdrückt. Angesichts der bereits recht intensiven Diskussion über Sicherheitsdiskurse im Rahmen des RFSR ist ein wesentliches Ziel der Arbeit somit, gerade auch die mögliche Konstruktion eines eigenständigen liberal-rechtsstaatlichen Leitbildes im EU-Politikfeld Innere Sicherheit stärker in den Blick zu nehmen. Inwiefern hat sich im Bereich Innere Sicherheit womöglich im Laufe der Zeit eine solche liberal-rechtsstaatliche Dimension entwickelt? Wie hängt dies unter Umständen mit der Entwicklung eines sicherheits- und performanzorientierten Leitbildes zusammen? Bei diesen Fragen wird von einer auf den ersten Blick kontraintuitiven Orientierungsthese ausgegangen. Während man angesichts des grundsätzlichen, häufig mehr polemisch als theoretisch fundiert diskutierten Spannungsfelds von Freiheit und Sicherheit annehmen könnte, dass bei einer sich verstärkenden Sicherheits- und Performanzorientierung liberal-rechtsstaatliche Leitvorstellungen eher marginalisiert werden, erscheint auch eine andere Perspektive denkbar: So wird in der vorliegenden Arbeit untersucht, ob nicht gerade auch ein verstärkter Fokus auf das Ziel einer möglichst effizienten und effektiven Sicherheitsgewährleistung gleichzeitig zu einer Aufwertung liberal-rechtsstaatlicher Leitvorstellungen führen kann. Ein solches Muster ließe sich dann gewissermaßen als eine liberal-rechtsstaatliche Sensibilisierung bezeichnen. Nicht zuletzt stellt sich hier die Frage, ob das Verhältnis von Sicherheit, Effizienz und Effektivität einerseits und liberal-rechtsstaatlichen Normen andererseits im Laufe der Zeit nicht auch vermehrt als mögliches Positivsummenverhältnis betrachtet wird. Die Untersuchungsperspektive ist diachron ausgerichtet. Der Untersuchungszeitraum reicht von den Anfängen der Kooperation im Bereich der Inneren Sicherheit Mitte der 70er Jahre bis in die Gegenwart, wobei die Unterzeichnung des Vertrags von Lissabon Ende 2007 � abgesehen von einigen Ausblicken � den Endpunkt der eigentlichen Analyse markiert. Im ersten Teil der empirischen Analyse werden die wesentlichen Etappen der Leitbildentwicklung innerhalb der offiziellen Selbstdarstellung und Rhetorik der Europäischen Union herausgearbeitet. Im zweiten Teil der empirischen Analyse wird dann vor dem Hintergrund der zuvor herausgearbeiteten langfristigen Argumentationsstrukturen eine vertiefende Untersuchung anhand zweier Fallstudien zur Etablierung liberal-rechtsstaatlicher Normen im EU-Politikfeld Innere Sicherheit vorgenommen. Die erste Fallstudie bezieht sich auf die Diskussion um einen einheitlichen Datenschutzstandard im Bereich der polizeilichen und strafjustiziellen Zusammenarbeit. Die zweite Fallstudie betrachtet die Frage von Verfahrensrechten von Verdächtigen und Angeklagten im Strafprozess und die entsprechende Problematik solcher liberal-rechtsstaatlicher Schutzstandards mit Blick auf den Europäischen Haftbefehl. Die empirische Analyse zeigt dabei, dass die Herausbildung eines liberal-rechtsstaatlichen Leitbildes den theoretischen Annahmen der Arbeit entsprechend immer im direkten Zusammenhang mit der Entwicklung sicherheits- und performanzorientierter Argumentationsstrukturen beurteilt werden muss. Die These einer liberal-rechtsstaatlichen Sensibilisierung bestätigt sich in mehreren Kontexten.

Item Type: Thesis (PhD thesis)
Creators:
CreatorsEmailORCIDORCID Put Code
Schraad-Tischler, Danieldaniel.schraad@yahoo.deUNSPECIFIEDUNSPECIFIED
URN: urn:nbn:de:hbz:38-28401
Date: 2009
Language: German
Faculty: Faculty of Management, Economy and Social Sciences
Divisions: Weitere Institute, Arbeits- und Forschungsgruppen > Department of Political Science and European Affairs
Subjects: Political science
Uncontrolled Keywords:
KeywordsLanguage
EU , Sicherheit , Normen , RechtsstaatGerman
Date of oral exam: 22 June 2009
Referee:
NameAcademic Title
Wessels, WolfgangProf. Dr.
Refereed: Yes
URI: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/2840

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