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Die Detektion von Veränderungen in einer sich rasch wandelnden Umwelt ist für Tiere und Menschen überlebenswichtig. Ein solcher automatischer Detektionsmechanismus existiert im auditorischen System des Menschen. Die sogenannte „Mismatch Negativity“ (MMN) ist eine spezielle Potentialkomponente akustisch evozierter Potentiale (AEPs) und reflektiert die Verletzung einer regulären Sequenz von vorhersagbaren akustischen Ereignissen. Die humane MMN ist besonders für klinische Anwendungen relevant, da gezeigt wurde, dass vielfältige Krankheitsbilder mit einer Reduktion der MMN Amplitude assoziiert sind. Daher ist es von besonderem Interesse, Tiermodelle zu entwickeln, mit denen die der MMN zugrunde liegenden neurophysiologischen Mechanismen genauer untersucht werden können.
Bisher wurden solche Studien mit Nagetieren allerdings weitestgehend an narkotisierten Tieren durchgeführt, und die resultierenden Ergebnisse ließen keine eindeutigen Aussagen über MMN-analoge Phänomene und deren Mechanismen zu. Dies kann vermutlich hauptsächlich den gängigen Anästhetika zugesprochen werden, die die Generierung von AEPs im Allgemeinen beeinflussen.
In der vorliegenden Arbeit wurden AEPs in wachen „Black hooded“ Ratten abgeleitet, um zu untersuchen, ob ein analoges Phänomen zur humanen MMN existiert. Die elektrophysiologische Ableitung der Potentiale erfolgte bilateral mittels epidural positionierter Elektroden vom primären auditorischen Kortex (A1) und PAF („posterior auditory field“), einem sekundären auditorischen Feld. Als akustische Stimuli wurde schmalbandig gefiltertes weißes Rauschen verwendet, das hinsichtlich Frequenz und Dauer an das Hörvermögen der Ratten angepasst wurde.
In einem klassischen “Oddball” Paradigma aus wiederkehrenden Standard-Stimuli und selten auftretenden abweichenden Tönen ("Deviants") wurden MMN ähnliche Antworten sowohl von A1 als auch PAF abgeleitet. Diese entsprechen in wichtigen Charakteristika den beim Menschen gefundenen Potentialen. Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass die Amplitude der MMN ähnlichen Potentiale erhöht war, wenn die Wahrscheinlichkeit des Auftretens des Deviants erniedrigt wurde.
Um zwischen zwei konkurrierenden Mechanismen (Adaptation versus Verletzung einer Vorhersage) zu unterscheiden, die der Generierung der MMN zugrunde liegen könnten, wurden des Weiteren mehrere Kontrollexperimente durchgeführt. In einer Bedingung in der die Präsentationswahrscheinlichkeiten von Standard Tönen und Deviants aneinander angenähert wurden, zeigte sich kein Unterschied zwischen den Potentialen. Dieses Ergebnis zeigt, dass auch Deviant-Potentiale aufgrund der hohen Anzahl präsentierter Töne von Adaptationsmechanismen betroffen waren. Andererseits kann hier auch mit der Generierung einer Vorhersage über die folgende akustische Sequenz argumentiert werden: Die hohe Anzahl von Deviant Tönen könnte generell keine Vorhersage zugelassen haben, so dass für beide Stimuli Vorhersagefehler generiert wurden. In einer weiteren Kontrollbedingung zeigte sich darüber hinaus, dass keine Potentiale ausgelöst werden und daher auch keine MMN ähnliche Komponente auftritt, wenn die Deviants in einer akustischen Sequenz komplett ausgelassen werden. Ein Potential, das nur durch das Ausbleiben eines erwarteten Stimulus auftritt konnte also nicht nachgewiesen werden. Darüber hinaus wurde eine spezielle Kontrollbedingung getestet, in der die Standardtöne durch Töne verschiedener Frequenzen, die zufällig auftraten, ersetzt wurden, so dass keine Vorhersage über zukünftige auditorische Ereignisse generiert werden konnte. Dies führte zu einer Reduktion der MMN ähnlichen Aktivität, was dafür spricht, dass ein Teil der MMN die Verletzung einer Vorhersage oder die Detektion einer Abweichung widerspiegeln könnte. Trotz der verschiedenen Kontrollbedingungen erlaubte der experimentelle Aufbau es nicht, eindeutig zwischen Adaptationsmechanismen und einer Potentialgenerierung durch die Detektion einer Abweichung in der akustischen Umwelt oder der Verletzung einer Vorhersage zu unterscheiden.
Weiterhin wurden die zugrunde liegenden Mechanismen der MMN mit Hilfe einer Gruppe von mathematischen Modellen, den „dynamic causal models“, untersucht. Die Ergebnisse der Modellierung zeigen, dass Adaptation ein wichtiger Mechanismus bei der Generierung von MMN ähnlichen Antworten bei wachen Ratten ist.
Der zweite untersuchte Mechanismus ist synaptische Plastizität. Bezüglich dieses Mechanismus wurde postuliert, dass synaptische Plastizität die Vorhersage über die akustische Sequenz generieren und diese sowie zugehörige Vorhersagefehler über hierarchisch angeordnete Hirnareale signalisieren soll. Die Analyse mit Hilfe der Modelle ergab auch Anhaltspunkte für eine Beteiligung von synaptischer Plastizität an der Generierung der MMN ähnlichen Antworten.
Darüber hinaus sollte untersucht werden, ob ein bestimmter Adaptationsmechanismus, „spike frequency adaptation“, der Generierung von MMN ähnlichen Potentialen zugrunde liegt und ob die parametrische Manipulation dieses Prozesses mit Hilfe von DCM detektiert werden kann. Dazu sollte die Aktivität von muskarinischen Azetylcholin Rezeptoren durch die Gabe eines Agonisten (Pilocarpin) und eines Antagonisten (Scopolamin) verändert werden. Nach Ableitung MMN ähnlicher Antworten zeigte sich, dass die Potentiale auch nach Behandlung mit den Substanzen erhalten blieben. Eine Veränderung der „spike frequency adaptation“ konnte nicht nachgewiesen werden. Obwohl die Ergebnisse der Modellierung mit Tieren, die nur mit dem Lösungsmittel behandelt wurden, die zuvor beschriebenen Resultate replizierten, konnte DCM keinen weiteren Aufschluss über den Beitrag von „spike frequency adaptation“ zur Generierung der MMN geben. Dennoch wurde gezeigt, dass cholinerge Informationsweiterleitung bei der Generierung von AEPs eine Rolle spielt. Scopolamin verstärkte die AEP Amplitude, während Pilocarpin zu einer Abschwächung der Potentiale führte.
Die vorliegende Studie demonstriert, dass MMN ähnliche Antworten in wachen Ratten abgeleitet werden können. Dies bildet die Voraussetzung für zukünftige Experimente, mit denen die zugrunde liegenden physiologischen Mechanismen weiter untersucht werden können. Darüber hinaus ist es wichtig, Narkose unabhängige experimentelle Ansätze zu wählen, um zu überprüfen, ob dem Menschen analoge MMN-Mechanismen in Tieren existieren. Diese Tiermodelle könnten zukünftig dazu beitragen, therapeutische Ziele auf zellulärer Ebene aufzudecken um Krankheitsbilder zu heilen oder zu verbessern, die mit reduzierten MMN Amplituden assoziiert sind. | German |
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