Seitzer, Philipp ORCID: 0009-0008-5220-2508 and Dins, Timo ORCID: 0000-0003-2758-5275 (2020). Komplexe Vulnerabilitäten. Menschen mit geistiger und komplexer Behinderung zwischen Krisenalltag und Alltagskrisen. In: 55. Jahrestagung der Sektion Sonderpädagogik der DGfE, 9. - 11. September 2020, Universität zu Köln, Virtuell. Speech.
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Zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie erscheint es bis zu einem gewissen Grad unerlässlich, Eigenverantwortung zu stärken und strategisch auf Maßnahmen zu setzen, deren Einhaltung den Einzelnen ein hohes Maß an Selbstdisziplin abverlangt. Durch diese Strategien sowie die begleitenden Diskurse schimmert jedoch zuweilen eine Tendenz, gesellschaftlich verursachte Risiken und Vulnerabilitäten sowie Folgen und Auswirkungen der Krise zu individualisieren, naturalisieren und essenzialisieren. Das Virus wird als eine Naturkatastrophe dargestellt, die für bestimmte Personen einzig aufgrund natürlicher oder medizinisch diagnostizierbarer Dispositionen ein besonderes Risiko darstellt. Dieser unterkomplexen Darstellung liegt ein medizinisch-individualistisch gefasstes Konzept von Vulnerabilität sowie ein naturalistisches Konzept von Krisen und Katastrophen zugrunde, das mit entsprechenden Behinderungsbildern einhergeht (vgl. Priestley & Hemingway 2007). Die alltägliche Teilhabekrise vieler Menschen mit geistiger und komplexer Behinderung beginnt lange vor dem Ausbruch der weltweiten Gesundheitskrise, erfährt durch diese jedoch eine erhebliche Zuspitzung und Verschärfung. Zudem steht zu befürchten, dass bereits bestehende Gefährdungslagen (etwa psychosozialer, soziokultureller oder ökonomischer Art) nicht nur im Zuge der akuten Krisenbewältigung sondern auch darüber hinaus angesichts der (vermeintlich) maßgeblicheren Bedeutung der gesundheitlichen Grundversorgung zusätzlich an Aufmerksamkeit verlieren und gleichsam als chronifizierter Krisenalltag hingenommen werden. Am Beispiel der Covid-19 Pandemie wird der geplante Beitrag substanzielle Kontinuitäten und Brüche in dieser Entwicklung nachzeichnen, um auf diese Weise der These (und Sorge) zu Aus- und Nachdruck zu verleihen, dass sich in den lebensweltlichen Ausgangsbedingungen und der gesellschaftlichen Abseitsstellung des Personenkreises verschiedene Dimensionen menschlicher Verletzbarkeit brennglasartig verdichten. Dabei werden wesentliche Leitlinien der Kölner Theoriediskurse zum Vulnerabilitätsbegriff (Burghardt et al. 2017) aufgegriffen und in Relation zu Behinderungsmodellen (vgl. Waldschmidt 2017) und impliziten Vorstellungen von Behinderung (vgl. Falkenstörfer 2020) gesetzt. Auf dieser Grundlage wird schlussfolgernd dafür plädiert, bei der Einschätzung der aktuellen Gefährdungslage Komplexität zu wahren und nicht aus dem Blick zu verlieren, dass das akute Krisengeschehen in einem Zusammenhang vielgestaltiger (und vielgestaltig verwobener) Vulnerabilitäten steht.
Item Type: | Conference or Workshop Item (Speech) | ||||||||||||
Creators: |
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Corporate Creators: | Deutsche Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) | ||||||||||||
URN: | urn:nbn:de:hbz:38-543615 | ||||||||||||
Date: | 10 September 2020 | ||||||||||||
Language: | German | ||||||||||||
Faculty: | Faculty of Human Sciences | ||||||||||||
Divisions: | Faculty of Human Sciences > Department Heilpädagogik und Rehabilitation | ||||||||||||
Subjects: | Social sciences Education |
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Related URLs: | |||||||||||||
Event Type: | Conference | ||||||||||||
Refereed: | Yes | ||||||||||||
URI: | http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/54361 |
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