Müller, Carina (2024). Untersuchungen zur molekularen Epidemiologie und Verbreitung Carbapenem-Resistenz vermittelnder Gene bei Carbapenem-resistenten Acinetobacter baumannii Stämmen. PhD thesis, Universität zu Köln.
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Abstract
Multiresistente Erreger fordern die Gesundheitssysteme weltweit seit Jahren heraus. Patienten versterben an Infektionen, die vor einigen Jahrzehnten noch gut durch Antibiotika behandelbar waren, die heute nicht mehr wirksam sind, da die Erreger in rasanter Geschwindigkeit neue Resistenzmechanismen entwickeln. Acinetobacter baumannii sind gramnegative meist nosokomial vorkommende Bakterien. In der Patientenversorgung können sie zu schwer beherrschbaren Ausbrüchen und dadurch bedingten Schließungen ganzer Stationen führen. Besonders schwerwiegend sind multimorbide Patienten mit herabgesetzter Immunkompetenz betroffen. Zu den häufigsten Manifestationen gehören die nosokomiale ventilatorassoziierte Pneumonie sowie Blutstrominfektionen, seltener sind Haut- und Weichgewebsinfektionen, Meningitiden, Endokarditiden und Harnwegsinfektionen. A. baumannii gehört weltweit zu den resistentesten Mikroorganismen. Bis zu Beginn der 1990er Jahre konnte jedoch zuverlässig auf Carbapeneme aus der Gruppe der Beta- Laktamantibiotika als effektive und gut verträgliche Therapie bei Infektionen durch A. baumannii zurückgegriffen werden, bis vermehrt von Carbapenem-resistenten A. baumannii berichtet wurde. Seitdem ließ sich das Phänomen der rasanten, epidemischen Verbreitung klonaler Carbapenem-resistenter A. baumannii Linien weltweit verfolgen. Es bleiben wenige Behandlungsoptionen offen, die für die Patienten in der benötigten Konzentration oft schwere Nebenwirkungen mit sich bringen. Die Carbapenem-Resistenz wird hierbei hauptsächlich durch erworbene Oxacillinasen vermittelt. Diese gehören zur Übergruppe der Beta-Laktamasen, welche zur Hydrolyse des Beta-Laktamrings der Beta-Laktamantibiotika führen und diese dadurch unwirksam machen. Seltener führen Metallo-ß-Laktamasen, auch eine Untergruppe der Beta-Laktamasen, zur Carbapenem-Resistenz bei A. baumannii. A. baumannii wurde als ESKAPE Erregern eingeordnet. Unter diesem Akronym wurden durch die Infectious Diseases Society of America die wichtigsten nosokomialen Erreger mit dem Potential multipler Antibiotikaresistenzen zusammengefasst. Außerdem wurden Carbapenem-resistente A. baumannii 2017 neben zwei weiteren Carbapenem-resistenten Erreger(gruppen) durch die WHO als Priority 1 – critical unter den weltweit am kritischsten zu beurteilenden multiresistenten bakteriellen Erreger mit der dringenden Notwendigkeit zur Entwicklung neuer antimikrobieller Therapeutika eingestuft. Es besteht der Anlass zur Sorge, dass Infektionen durch multiresistente A. baumannii in der Zukunft unbehandelbar werden. Seit sich Ausbrüche durch A. baumannii seit Anfang der 1980er häuften, ist die Epidemiologie der A. baumannii Population weltweit von großem Interesse und Inhalt zahlreicher Untersuchungen mittels unterschiedlicher molekularer Typisierungsmethoden. Zunächst fiel bei einer Sammlung von A. baumannii aus verschiedenen europäischen Ausbruchsgeschehen auf, dass sich zwei Gruppen eng verwandter Isolaten aus verschiedenen Orten in Europa abzeichneten. Ein gemeinsamer klonaler Ursprung der Bakterienisolate wurde erstmals diskutiert. Einige Jahre später fand man eine dritte in Europa kursierende Gruppe, man sprach folglich von „European clones“ EUI, EUII und EUIII. Etwa zehn Jahre später zeichnete sich ab, dass die Mehrheit der Carbapenem-resistenten A. baumannii nicht nur innerhalb einzelner Kontinente, wie Europa, sondern weltweit wenigen klonalen Linien zugeordnet werden können. Dies ließ sich erstmals mittels repPCR bei einer weltweiten Sammlung aus über 400 Carbapenem-resistenten A. baumannii zeigen. Es wurden acht „worldwide clones“ (WW1-8) identifiziert, die später „international clones“ (ICs) genannt wurden. Seitdem hat sich die Zuordnung von A. baumannii zu den ICs als ein wichtiges Kriterium etabliert, um A. baumannii in einen epidemiologischen Kontext einzuordnen. Aktuell ist IC2 der weltweit mit Abstand am häufigsten berichtete IC. Einen deutlichen Fortschritt in Auflösung und Praktizierbarkeit in der Untersuchung der molekularen Epidemiologie von Bakterien brachte Whole Genome Sequencing. Im Jahr 2017 wurde in Köln ein core genome multilocus sequence typing (cgMLST) Schema für A. baumannii entwickelt, das eine detaillierte Analyse der epidemiologischen Verwandtschaft von A. baumannii Isolaten erlaubt. Gegenstand der hier vorliegenden Arbeit ist eine Annäherung an die molekulare Epidemiologie und die Verteilung von Carbapenem-Resistenz vermittelnden Genen innerhalb der weltweiten Population Carbapenem-resistenter A. baumannii. Hierzu wurden 313 Carbapenem-resistente A. baumannii, isoliert zwischen 2012 und 2016 aus klinischen Proben, aus insgesamt 114 weltweiten Krankenhäusern, verteilt über 47 Länder analysiert. Die Anzahl der jeweils untersuchten Isolate aus einem Land richtete sich nach der Bevölkerungsanzahl des jeweiligen Landes im Verhältnis zu allen eingeschlossenen Ländern. Die 47 Länder verteilen sich auf Afrika, Asien und den Mittleren Osten, Europa und den amerikanischen Kontinent. Die untersuchten Bakterienisolate stammen aus der Sammlung des Tigecycline Evaluation and Surveillance Trial (T.E.S.T) und wurden durch das IHMA, Schaumburg, USA zur Verfügung gestellt. Zur Verifizierung der Carbapenem-Resistenz wurden alle Isolate mittels E-Test getestet. Das Vorhandensein von Carbapenem-Resistenz vermittelnden Genen wurden bei den bestätigt Carbepenem-resistenten Isolate durch einigen Multiplex-PCRs untersucht. Darüber hinaus wurde das Bakteriengenom aller Proben extrahiert und am Illumina MiSeq seqienziert. Aus den Sequenzdaten erfolgte die genaue Analyse von Carbapenem- Resistenz vermittelnden Genen und die Einteilung zu den ICs anhand von MLST-Types nach Pasteur und Oxford sowie cgMLST. Innerhalb unserer gesamten globalen Sammlung ließen sich etwa 94% der untersuchten Isolate internationalen klonalen Linien zuordnen, was die klonale Struktur der A. baumannii Population erneut bestätigte. IC2 war innerhalb der gesamten Studienpopulation der mit Abstand am häufigsten vertretene IC mit einem Anteil von 62% an allen Isolaten. Die Prädominanz von IC2 ist ein bekanntes Phänomen. Die 62% stellen jedoch noch einmal einen Anstieg zu der vorangegangenen Studie von 2010 dar, wo IC2 nur etwa 50% ausmachte. Das Bild eines dominanten IC2 spiegelte sich in allen untersuchten Regionen außer Lateinamerika wider, hier war IC2 nur bei etwa 10% der untersuchten Isolate zu finden. Bei den afrikanischen Ländern machte IC2 den größten Anteil mit etwa 80% aus, die restlichen 20% fielen auf IC8, IC1, IC7 und IC9. Dies deckt sich mit anderen Untersuchungen aus Afrika. Insgesamt ist die Datenlage vom afrikanischen Kontinent jedoch dünn, aus einigen Ländern insbesondere in zentral Afrika liegt keinerlei Analyse vor. In Asien und im mittleren Osten war IC2 mit 84% vorherrschend, die restlichen Isolate fielen auf IC1, IC7 und IC8. Bevölkerungsreiche Länder wie China und Indien waren in unserer Sammlung nicht eingeschlossen, die Literatur bestätigt jedoch auch hier die Dominanz von IC2. Bei den europäischen Isolaten gehörten über 80% zu IC2; IC1, IC9, IC3 und IC5 machen jeweils kleinere Anteile aus. Auch dies deckt sich mit der aktuellen Literatur. Bei Zuwendung zum amerikanischen Kontinent zeichnet sich bei Nordamerika bereits ein Unterschied zu den vorigen Regionen ab, hier machte IC2 70% aus, etwa 10 % weniger als in Afrika, Asien und Europa. Ein bemerkenswerter Anteil der Isolate ließ sich keinem IC zuordnen, 17% der Isolate bildeten eine eigene Gruppe, die wir USA-Clone-1 nannten. Lateinamerika unterschied sich deutlich von den restlichen Regionen mit einem IC2-Anteil von 10%. Hier war IC5 die vorherrschende klonale Linie mit 54%, was ein Alleinstellungsmerkmal dieser Region ist. Die restlichen Isolate waren IC1, IC2, IC4, IC6 und IC7 zugehörig. Insgesamt sind laut aktueller Literatur andere ICs als IC2 prädominant in Lateinamerika. Je nach Land wird hier jedoch auch von der Prädominanz der Linien IC4, IC5 und IC7 berichten. Unter den Studienisolaten ließen sich 24 (8%) keinem der ICs 1-8 zuordnen, es fielen jedoch sechs Isolate von drei unterschiedlichen Kontinenten (Afrika, Europa und Asien) auf, die die gleichen Merkmale trugen und so ein Cluster bildeten. Von einem A. baumannii Isolat mit denselben Merkmalen wurde in der Literatur das erste Mal 2011 aus Libyen im Kontext mit militärischen Konflikten berichtet. Weitere Berichte aus verschiedenen Ländern folgten. Wir haben also Grund zur Annahme, dass es sich hier um einen weitere IC handelt, den wir IC9 nannten. Auch von weiteren neuen globalen Linien wird bereits berichtet. Bei 96% der Isolate unserer Sammlung wurde die Carbapenem-Resistenz durch erworbene Carbapenemasegene vermittelt, bei den restlichen 4% war die Carbapenem-Resistenz mit einer durch ISAba1 überexprimierten intrinsischen blaOXA-51-like assoziiert. In der gesamten Sammlung war blaOXA-23-like mit fast 80% das mit Abstand häufigste Oxacillinasegen, mit weitem Abstand gefolgt von blaOXA-40-like und blaOXA-58-like. Vereinzelt wurden auch MBLs gefunden. Auch hier war die Verteilung in Afrika und Asien und dem Mittleren Osten wieder ähnlich. BlaOXA-23-like machte jeweils 97% und 94% aus. In Europa waren es etwas weniger mit 75%, hier kam blaOXA-40-like mit 15% vor. Wieder stach der amerikanische Kontinent hervor. In Nordamerika war blaOXA-23-like nur bei 50% der Isolate für die Carbapenem-Resistenz verantwortlich, blaOXA-40-like machte hier 30% aus. In Lateinamerika betrugen die Anteile von blaOXA-23-like und blaOXA-40-like 63% und 34%. Zusammengefasst legen unsere Daten nahe, dass die weltweite Population Carbapenem- resistenter A. baumannii durch mindestens neun global verbreitete klonale Linien vertreten wird, dies sind die etablierten internationalen Klone IC1 - IC8 sowie der hier erstmals beschriebene IC9. Weitere Studien lassen zudem den Schluss zu, dass es mindestens noch zwei weitere ICs gibt. IC2 hat mit Ausnahme von Lateinamerika weltweit unangefochten die größte Bedeutung, die weiteren ICs spielen eher eine untergeordnete Rolle, sie kommen allerdings häufig als lokale bzw. regionale Besonderheit vor. Es bleibt abzuwarten, wie sich erst kürzlich beschriebene ICs in Zukunft entwickeln. Von ihnen wird gehäuft in Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen berichtet, so werden auch Migrationsbewegungen eine Rolle bei der Verbreitung spielen. Die am weitesten verbreitete Carbapenemase ist mit weitem Abstand die erworbene Oxacillinase OXA-23-like. Auf dem amerikanischen Kontinent ist auch OXA-40-like von Bedeutung. Insgesamt wird die weltweite Population Carbapenem-resistenter A. baumannii Isolate durch IC2-blaOXA-23 A. baumannii beherrscht. Für die Zukunft bleibt zu erwarten, dass Globalisierung, Migration und Antibiotikaverbrauch weiter auf die Population Carbapenem-resistenter A. baumannii Einfluss nehmen werden. Dies wird für die Gesundheitssysteme weltweit eine besondere Herausforderung darstellen.
Item Type: | Thesis (PhD thesis) | ||||||||
Creators: |
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URN: | urn:nbn:de:hbz:38-732228 | ||||||||
Date: | 2024 | ||||||||
Language: | German | ||||||||
Faculty: | Faculty of Medicine | ||||||||
Divisions: | Faculty of Medicine > Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene > Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene | ||||||||
Subjects: | Medical sciences Medicine | ||||||||
Uncontrolled Keywords: |
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Date of oral exam: | 21 May 2024 | ||||||||
Referee: |
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Refereed: | Yes | ||||||||
URI: | http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/73222 |
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