Beck, Moritz ORCID: 0009-0001-1969-3033 (2025). Antibiotikatherapien bei Hospitalisation – Analyse von Prädiktoren auf PatientInnenebene sowie Score-basierte Risikoabschätzung (PILGRIM-Score). PhD thesis, Universität zu Köln.

[img] PDF
20250122_DRUCK_Dissertation_Beck_Moritz.pdf

Download (7MB)

Abstract

Bakterielle Antibiotikaresistenzen (AMR) werden von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu den zehn größten globalen Gesundheitsbedrohungen gezählt. In einer aktuellen Studie wurde geschätzt, dass 2019 weltweit etwa 5 Millionen Todesfälle mit AMR in Zusammenhang standen und rund 1,3 Millionen Todesfälle direkt auf AMR zurückzuführen sind. Ursächlich für die zunehmende Resistenzentwicklung sind vor allem der inadäquate Einsatz sowie unverhältnismäßig hohe Verbrauch von Antibiotika in der Veterinär- und Humanmedizin. Gleichzeitig sind die vorhandenen, neu zugelassenen oder sich in der klinischen Entwicklungsphase befindlichen antimikrobiellen Agenzien unzureichend bei der Bekämpfung der wachsenden Bedrohung durch AMR. Dies unterstreicht einen Bedarf an neuen antiinfektiven Behandlungsstrategien. Zur Verringerung der Resistenzentwicklung wurden nationale sowie internationale Strategien zur Koordinierung sektorenübergreifender Maßnahmen entwickelt. Hierzu zählen auch sogenannte Antimicrobial Stewardship (AMS) Initiativen, welche durch verschiedene Maßnahmen die Qualität der Antibiotikaverordnungen zu verbessern versuchen. Die Wirksamkeit von AMS ist durch zahlreiche Studien belegt. Um AMS-Studien sowie -Maßnahmen durchführen zu können, ist die Identifizierung von Risikokollektiven im Krankenhaus eine wichtige Voraussetzung. PatientInnen-individuelle Faktoren für die Prädiktion einer späteren Antibiotikatherapie nach Krankenhausaufnahme sind bisher jedoch wenig untersucht. Die genauere Analyse möglicher Risikofaktoren und Entwicklung eines Prädiktionsmodells soll Ziel dieser Arbeit sein. Die vorliegende statistische Analyse wurde im Rahmen der internationalen, multizentrischen und prospektiven Kohortenstudie Impact of Prescription Quality, Infection Control and Antimicrobial Stewardship on Gut Microbiota Domination by Healthcare-Associated Pathogens (PILGRIM) durchgeführt (NCT03765528, ClinicalTrials.gov). Ziel der übergreifenden PILGRIM-Studie ist die Untersuchung des Einflusses (nicht-adäquater) Antibiotikatherapien auf das enterische Mikrobiom und der Begünstigung von Resistenzentwicklung. Insgesamt wurden von 2019 bis 2022 an 10 Studienzentren in 6 verschiedenen Ländern gezielt PatientInnen rekrutiert, die nach Einschätzung der StudienärztInnen bei stationärer Krankenhausaufnahme ein hohes Risiko für eine antibiotische Therapie im Verlauf besaßen. Zur Identifikation von Risikofaktoren für eine Antibiotikatherapie in der PILGRIM-Kohorte wurden die erfassten Variablen hinsichtlich ihrer Korrelation mit zukünftigen Antibiotikaverschreibungen analysiert. In zahlreichen Iterationen multivariabler Regressionsmodelle wurde im Folgenden eine Auswahl an besonders aussagekräftigen Variablen getroffen. Auf Basis dieser Auswahl wurden variablenspezifische Gewichtungen berechnet und anschließend der PILGRIM-Score zur Prädiktion zukünftiger Antibiotikatherapien entwickelt. Die basisdemographischen Daten des Datensatzes zeigten sich insgesamt ausreichend balanciert und normalverteilt. Rund 35% aller PatientInnen wurden in Hämato-onkologischen Abteilungen rekrutiert. Obwohl die Rekrutierung mit dem Ziel erfolgte, möglichst viele Antibiotikatherapien im Verlauf beobachten zu können, erhielten nur knapp die Hälfte aller rekrutierten PatientInnen auch tatsächlich eine antibiotische Therapie. Als signifikante Risikofaktoren konnten herausgestellt werden: Männliches Geschlecht, Alter unter 70 Jahren, bestimmte behandelnde Abteilungen, alle Aufnahmen, die nicht für elektive Operationen bestimmt sind, vergangene Hospitalisierungen oder Antibiotikaeinnahmen, Einnahme von immunsupprimierenden Medikamenten oder jenen, die den gastralen pH anheben sowie hämatologische Malignome. Das beste logistische Regressionsmodell aus den identifizierten Risikofaktoren erreichte in der Validierung eine Sensitivität 50%, eine Spezifität von 88%, einen positiven prädiktiven Wert (PPV) von 75% und einen negativen prädiktiven Wert (NPV) von 70% bei einer Fläche unter der Kurve (Area under the curve, AUC) von 75%. Der darauf aufbauende finale Pilgrim-Score besteht aus vier Variablen mit jeweils individueller Gewichtung und einem Maximalwert von zehn Punkten: Hämatologische Malignome (fünf Punkte), immunsupprimierende Medikation (zwei Punkte), geplante elektive Operation (zwei Punkte) und vergangene Hospitalisierung (ein Punkt). Das Modell erreichte hiermit eine Prädiktionsleistung von 92% Spezifität, 41% Sensitivität, 78% im PPV und 69% im NPV bei einem Schwellenwert von 60% (sechs Punkte) in der Validierung. Arbeiten, die ein ähnliches Modell zur Prädiktion von Antibiotikatherapien beschreiben, konnten nicht gefunden werden. Insgesamt analysieren nur sehr wenige Publikationen explizit Risikofaktoren für Antibiotikatherapien. Die meisten identifizierten Risikofaktoren und finalen Variablen des Pilgrim Scores konnten in der Literatur jedoch zumindest als Risikofaktoren für spätere Infektionen oder beispielsweise ein schlechteres Outcome identifiziert werden und somit wissenschaftlich erklärt werden. Insgesamt limitierend sind der hohe Anteil hämato-onkologischer PatientInnen in der Kohorte, eine damit einhergehende Dokumentationsbias, sowie Multikollinearität zwischen den finalen Variablen. Der entwickelte Score demonstriert dennoch eine solide Prädiktionsleistung und kann zukünftig helfen, PatientInnen unter einem hohen Risiko für Antibiotikatherapien zu Präventions- oder Studienzwecken zu identifizieren. In einem nächsten Schritt könnte der PILGRIM-Score noch mit weiteren Parametern wie Labor- oder Vitalwerten ergänzt oder auf einem externen Datensatz validiert werden.

Item Type: Thesis (PhD thesis)
Creators:
CreatorsEmailORCIDORCID Put Code
Beck, Moritzmoritz.beck1@gmail.comorcid.org/0009-0001-1969-3033UNSPECIFIED
URN: urn:nbn:de:hbz:38-749941
Date: 2025
Language: German
Faculty: Faculty of Medicine
Divisions: Faculty of Medicine > Innere Medizin > Klinik I für Innere Medizin - Hämatologie und Onkologie
Subjects: Medical sciences Medicine
Uncontrolled Keywords:
KeywordsLanguage
AntibiotikaGerman
Antibiotic StewardshipEnglish
PrädiktionsmodellGerman
Date of oral exam: 28 November 2024
Referee:
NameAcademic Title
Vehreschild, Jörg JanneProfessor Dr. med.
Hellmich, MartinProfessor Dr. rer. medic.
Refereed: Yes
URI: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/74994

Downloads

Downloads per month over past year

Export

Actions (login required)

View Item View Item