Schaefer, Thilo (2008). Können Steuern in Deutschland einfach und familienfreundlich sein? PhD thesis, Universität zu Köln.

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Abstract

Aus ökonomischer Sicht ist eine Besteuerung wünschenswert, die die Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte minimal verzerrt, da auf diese Weise die Zusatzlast der Besteuerung minimiert werden kann. Von einer Steuerreform mit dem Ziel gesteigerter Effizienz werden verbesserte Anreizstrukturen und in der Konsequenz höhere Wachstums- und Beschäftigungsraten erwartet, was die Wohlfahrt insgesamt steigert. Die Umsetzbarkeit einer solchen Steuerreform hängt jedoch in hohem Maße von den zu erwartenden Verteilungswirkungen ab. Wenn nur bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder Einkommensschichten an der beabsichtigten Wohlfahrtssteigerung partizipieren oder in stärkerem Maße als andere davon profitieren können, sinken die Chancen, dass sich eine Mehrheit für eine solche Steuerreform findet. Häufig liegt zwischen mittelfristigen Effizienzvorteilen und kurzfristigen Verteilungswirkungen ein Zielkonflikt vor. Oder lässt sich die Besteuerung so gestalten, dass beiden Zielen Rechnung getragen werden kann? Um Antworten auf diese Frage zu finden, wird in dieser Arbeit die Methode der Mikrosimulation eingesetzt. Mikrosimulationsmodelle erlauben es, das Steuersystem detailliert abzubilden und Effekte von Veränderungen im Detail nachzuvollziehen und auszuwerten. Die vorliegende Arbeit präsentiert diese Modellklasse als geeignetes Instrument zur Analyse von Verteilungseffekten und mikroökonomischen Auswirkungen von Steuerreformen. Die Untersuchung konzentriert sich dabei auf die Analyse direkter Steuern und Abgaben. Zunächst wird die Position Deutschlands im Hinblick auf die Umverteilungs- und Progressionswirkungen direkter Besteuerung im Kontext der EU-15 bestimmt. Dazu wird eine Querschnittsanalyse von europäischen Einkommensteuern, Sozialabgaben und monetären Transfers durchgeführt. Die Progressionswirkung der Einkommensteuer nimmt mit deren zunehmender Bedeutung im jeweiligen Steuersystem ab. Dies gilt mit Abstrichen auch, wenn zusätzlich Sozialversicherungsabgaben betrachtet werden. Bei der Gesamtbetrachtung von direkten Steuern und Abgaben liegt Deutschland daher eher im Mittelfeld. Ohnehin kommt das deutsche System aus Einkommensteuer, Sozialversicherungsabgaben und monetären Transfers insgesamt einer komplett proportionalen Gestaltung relativ nahe. Dies spricht dafür, die Besteuerung in Deutschland deutlich zu vereinfachen, was zuletzt immer wieder Gegenstand der Diskussion über Steuerreformen ist. Von einer vereinfachten Steuersystematik wird mehr Effizienz und gleichzeitig mehr Fairness erwartet. Unter Steuervereinfachung werden hier die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und die Glättung des Tarifs verstanden. Untersucht werden die Effekte einzelner Maßnahmen und die Kombination aus beiden Komponenten für Deutschland. Der Wegfall von Abzugsmöglichkeiten reduziert insgesamt die Ungleichheit der Einkommensverteilung. Gleichwohl kann es im Einzelfall zu deutlichen Zusatzbelastungen kommen. Die Glättung des Tarifs kann zwar in der Gesamtwirkung verteilungsneutral ausgestaltet werden, im Vergleich zu (mehrstufig) progressiven Tarifverläufen wird jedoch vorwiegend die Mittelschicht zugunsten niedriger und hoher Einkommen belastet. Bei einer Kombination beider Komponenten der Steuervereinfachung überwiegt die Wirkung der Tarifglättung zulasten Bezieher mittlerer Einkommen. Insgesamt würde die Ungleichheit der Einkommensverteilung zurückgehen. Die Glättung des Einkommensteuertarifs hat zur Konsequenz, dass der Splittingvorteil für Ehegatten in den hier betrachteten Varianten auf den Grundfreibetrag beschränkt wird. In Deutschland profitieren Familien steuerlich nur indirekt vom Ehegattensplitting und besser situierte Familien vom Kinderfreibetrag. Deshalb wird abschließend untersucht, wie sich eine direkte steuerliche Berücksichtigung von Familien nach französischem Vorbild bzw. in Form eines Familienrealsplittings, d.h. durch Beschränkung des Splittingvorteils zugunsten eines zusätzlichen Grundfreibetrags für Kinder, in Deutschland auswirken würde. In beiden Varianten würden viele Familien profitieren und sich die Arbeitsangebotsanreize für Frauen verbessern. Die in dieser Arbeit untersuchten Varianten wurden in der Regel so gestaltet, dass sich das Steueraufkommen kurzfristig nicht oder nur minimal ändert. Der Spielraum für umfangreichere Steuerreformen mit insgesamt positiven Verteilungswirkungen würde durch eine Senkung staatlicher Ausgaben zweifellos größer. Zu befürchten ist angesichts der zu erwartenden demographischen Entwicklung jedoch eher ein weiteres Ansteigen der Ausgaben, insbesondere zur Finanzierung der Sozialsysteme. Dies spricht dafür, grundsätzliche Reformansätze wie eine am Vorbild der Schweiz orientierte Gestaltung der Finanzierung des Sozialstaats weiter zu diskutieren.

Item Type: Thesis (PhD thesis)
Translated title:
TitleLanguage
Simple and family-friendly taxes in Germany?English
Translated abstract:
AbstractLanguage
From an economic perspective, it is desirable that the decisions of economic agents are minimally distorted by taxation and the excess burden of taxation can be minimized. From a tax reform with the objective of increased efficiency, improved incentive structures and consequently higher growth and employment rates are expected, which increases overall welfare. The chance to implement such a tax, however, depends heavily on the anticipated effects on the distribution of incomes. If only certain social groups or income brackets participate in the proposed increase in welfare or benefit to a greater extent than others, the chances to find a political majority for such a tax reform will diminish. Often there is a trade-off between medium-term efficiency and short-term effects on distribution. Or is a tax system possible that fulfils both objectives? To answer this question the method of microsimulation is used. Microsimulation models allow for a detailed evaluation of the tax system and effects of changes. This paper presents the model class as an appropriate instrument for the analysis of distributional effects and micro-economic impacts of tax reforms. The investigation focuses on the analysis of direct taxes and charges. First, Germany's position concerning the redistributive effects and progression of direct taxation is determined in the context of the EU-15 by a cross-sectional analysis of European income taxes, social security payments and monetary transfers. The progressivity of the income tax decreases with its growing importance in the respective tax system. This also applies if social security payments are considered. The overall effects of income tax, social security and monetary transfers in Germany are relatively close to a proportional system. This finding might be an argument for the simplification of taxation in Germany, particularly as this has repeatedly been the subject of discussion on tax reform. A simplified tax scheme is expected to increase efficiency and fairness. Here, tax simplification is understood as broadening the base and the smoothing of the tariff. The effects of these elements are analysed separately as well as combined. The elimination of deductions reduces the inequality of the income distribution. Nevertheless, individuals can face significantly higher burdens. The smoothing of the tariff, although designed to be neutral to the overall distribution, favours low and high incomes compared to a (multilevel) progressive tariff while the middle class is burdened. When combining both components of tax simplification the impact of flattening the tax is stronger; thus medium-income recipients still suffer. Overall, the inequality of income distribution decreases. One aspect of the smoothing of the income tax rate is that the splitting benefit for spouses is limited to the basic allowance in the variants analysed here. In Germany, families benefit only indirectly from splitting benefits while better situated families also benefit from child allowance. Therefore, two family tax reforms are investigated. First, a family splitting tariff implementing a modified French model and second, a so-called real family splitting, i.e. limiting the splitting advantage in favour of an additional basic allowance for children in Germany. In both variants many families would benefit and the labour supply incentives for women would increase. The analysed variants are usually designed neutral or almost neutral to short-term tax revenue. The margin for major tax reforms with overall positive effects would undoubtedly increase if government expenditures were reduced. However, considering demographic trends, rather a further increase in spending can be expected, particularly on the financing of social systems. This indicates that fundamental reform approaches e.g. a Switzerland-based design of the financing of the welfare state should be discussed further.English
Creators:
CreatorsEmailORCIDORCID Put Code
Schaefer, Thilothilo.schaefer@uni-koeln.deUNSPECIFIEDUNSPECIFIED
URN: urn:nbn:de:hbz:38-24979
Date: 2008
Language: German
Faculty: Faculty of Management, Economy and Social Sciences
Divisions: Faculty of Management, Economics and Social Sciences > Economics > Macroeconomic, Financial and Economic Policy > Professorship for Public Economics
Subjects: Economics
Date of oral exam: 29 September 2008
Referee:
NameAcademic Title
Fuest, ClemensProf. Dr.
Refereed: Yes
URI: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/2497

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