Kohlhase, Thomas Rudolf (2012). Die Entwicklung des Bausparwesens in der Bundesrepublik Deutschland in der Zeit zwischen 1949 und 1990. Eine Institutionenökonomische Analyse. PhD thesis, Universität zu Köln.

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Dissertation_Entwicklung_Bausparwesen_in_der_BRD_1949_bis_1990.pdf - Published Version

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Abstract

Die Arbeit leistet einen wesentlichen Beitrag zur Schließung noch bestehender Forschungslücken sowohl im Bereich der Wirtschafts- und Sozialgeschichtsschreibung als auch der ökonomischen Vertrags- sowie Banktheorie. Die dabei zugrunde liegenden Fragestellungen lassen sich thesenförmig wie folgt zusammenfassen: - Die Existenz von Bausparkassen als Finanzintermediär im nachrangigen Realkreditbereich lässt sich mit Hilfe der Erkenntnisse der Neuen Institutionenökonomik erklären. - Das deutsche Bausparkassenwesen ermöglicht eine effiziente Risikoteilung zwischen Kreditnehmer und Kredit-geber im nachrangigen Finanzierungsbereich und trägt zur Stabilität des gesamten Finanzsystems bei. - Die Bausparkassen haben in Deutschland einen wesentlichen Beitrag zur Wohnungsfinanzierung und zur Be-darfsdeckung am Wohnungsmarkt insgesamt sowie einer verstärkten Eigentumsbildung geleistet. - Subventionen im Bausparwesen (z.B. Wohnungsbauprämien) lassen sich ordnungspolitisch und volkswirtschaft-lich aufgrund ihrer Anreizwirkung zur Bildung von Eigenkapital zumindest gegenüber solchen Subventionen rechtfertigen, die an der Finanzierungs- bzw. Tilgungsphase ansetzen. Die innovativen Ergebnisse der Arbeit gliedern sich zusammengefasst in fünf Bereiche: 1) Erstmalige Dissertation über das Bausparwesen in der Zeit von 1949 bis 1990 mit explizit wirtschafts- und sozialgeschichtlicher Ausrichtung: Die wirtschaftliche Bedeutung, welche die Bausparkassen im Rahmen der Wohnungsbaufinanzierung in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg erreicht haben, z.B. gemessen an den Hypo-thekarkreditbeständen (hier repräsentierten die Bausparkassen im Mittelwert von 1949 bis 1990 rund 13 Prozent), ist in wirtschafts- und sozialhistorischen Dissertationen und Gesamtdarstellungen bislang nicht angemessen re-flektiert worden. Daher versucht die vorliegende Arbeit in erster Linie dieses in der Wissenschaft noch bestehen-de Ungleichgewicht zu reduzieren. Der interdisziplinären Ausrichtung folgend wird dabei gezeigt, wie sich die Finanzinstitution Bausparkasse in einem sich dynamisch verändernden rechtlichen und ökonomischen Span-nungsfeld entwickelt hat. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass, einer kurzen Neuorientierungsphase nach dem Zweiten Weltkrieg, eine mehr als zwei Dekaden anhaltende dynamische Wachstumsphase (unterbrochen durch kurze konjunkturelle Rückschläge) bis etwa Ende der 1970er Jahre folgte. Begünstigt wurde das Bausparen in dieser Phase vor allem durch den kriegsbedingten Wohnraummangel, wachsender Einkommen bei einem gleich-zeitig weit verbreiteten Wunsch Wohneigentum zu bilden. Weitere Wachstumsimpulse gingen von der öffentli-chen Förderung aus, bei der das Bausparen davon profitierte, dass sich der Staat sukzessive aus der direkten Woh-nungsbaufinanzierung zurückzog. Ab Beginn der 1980er Jahre schloss sich infolge veränderter Rahmenbedin-gungen eine Stagnationsphase an. Diese Phase war geprägt durch eine bereits erreichte Marktsättigung für Wohn-immobilien und sich daraus ergebender langfristig wirkender struktureller Veränderungen im Nachfrageverhalten der Kunden, einem verschlechterten makroökonomischen Umfeld sowie deutlichen Kürzungen bei der staatlichen Bausparförderung. Dies spiegelte sich nicht nur in den veränderten Bilanzstrukturen, insbesondere der erhöhten Aufnahme außerkollektiver Refinanzierungsmittel (Durchbrechung des kollektiven Prinzips) und einem rückläu-figen Neugeschäft wider, sondern auch in sich daran anschließenden Verschärfungen im Bausparkassenaufsichts-recht (z.B. Erhöhung der Mindestsparguthaben), sowie daraus resultierender Marktanteilsverluste der Bausparkassen im Wohnungsbaufinanzierungsmarkt. In dessen Folge verloren die Bausparkassen gegenüber ih-ren Wettbewerbern gemessen an ihrer Marktstellung an Bedeutung. Die empirischen Ergebnisse zeigen in diesem Kontext zudem, dass das Bausparen nicht gänzlich unabhängig von Kapitalmarktentwicklungen (wie von einigen Branchenvertretern behauptet) gewesen ist. Allerdings bestätigen die Ergebnisse auch nicht jene Befürchtungen (seitens der Branchenkritiker), dass es sich beim Bausparen um ein Schneeballsystem handele. 2) Institutionenökonomischer Erklärungsansatz zur Existenz von Bausparkassen: Ein weiteres Ergebnis zeigt, das bisherige institutionenökonomisch basierte sowie banktheoretische Erklärungsansätze zur Existenz von Fi-nanzintermediären die spezifischen systemimmanenten Charakteristika deutscher Bausparkassen (vor allem die für das geschlossene Bausparkollektiv typische Identität von Sparer und Darlehensnehmer) nicht adäquat berück-sichtigen. Daher werden bestehende Erklärungsansätze zur Überwindung auftretender Informationsasymmetrien im Hinblick auf die Eigenheiten des Bausparens weiterentwickelt. Dabei wird gezeigt, dass ex-ante bestehende Qualitätsunsicherheiten durch Selbstselektion (Screening) und Signalling reduziert werden können. Beim Scree-ning werden solvente Bausparer relativ schneller ihre Sparleistung erbringen und Verträge mit niedrigen Soll- und Habenzinsen wählen und darüber hinaus bereit sein, (Zusatz-)Sicherheiten zu stellen. Beim Signalling demonst-rieren solvente Bausparer durch Festlegen der Bausparsumme sowie der Auswahl zwischen niedrig- und hoch-verzinslichen Verträgen und ihrem individuellen Sparverhalten ihre Kreditnehmereigenschaften. Nachvertragli-che Verhaltensunsicherheiten (Moral Hazard) werden beim Bausparen ebenfalls reduziert. Anreizkompatibel wirkt dabei die implizite Forderung, dass Bausparkassen als Kreditgeber nur auftreten, wenn der Bausparer über ein bestimmtes Mindesteigenkapital verfügt (ca. 20-30 Prozent), das er in die Finanzierung mit einbringt. Der Ei-genkapitalbildungsprozess und die damit einhergehende Risikoteilung zwischen Bausparer und kreditgebender Bausparkasse bildet beim Bausparsystem überhaupt einen zentralen Bestandteil. Der systemimmanente Anspar-vorgang führt nämlich als ein psychologisch-erzieherischer Prozess zu einer Verhaltensdisziplinierung des Bau-sparers. Ex-post auftretende Probleme lassen sich des Weiteren durch Stellung von Sicherheiten (Grundpfand-rechte) und deren vorsichtigem Bewertungsansatz (keine Bewertung zu Marktpreisen) sowie der Möglichkeit zur Androhung der Verwertung zusätzlich reduzieren. Diese Faktoren sind im Hinblick zur Krisenprävention des Fi-nanzsystems und zur Vermeidung von Bankenkrisen von besonderer Bedeutung. Denn deren Ursachen gehen häufig (wie auch 2007) auf Missstände in der Wohnungsbaufinanzierung zurück, was für Deutschland seit 1949 jedoch nicht zutrifft. Die anschließende empirische Überprüfung der o.g. Erkenntnisse zur Überwindung vor- und nachvertraglicher Informationsasymmetrien erfolgt durch Zusammenführung soziodemographischer Merkmale von Sparern und Darlehensnehmern. Diese bestätigen, dass Kreditnehmer mit qualitativ „guten" Eigenschaften bzw. Besserverdiener (bezogen auf ihre berufliche Stellung sind dies: Freiberufler, Selbständige, Beamte und An-gestellte) häufiger Bauspardarlehen erhielten als solche mit tendenziell „schlechteren“ Eigenschaften bzw. Ge-ringverdiener (Arbeiter, Rentner, Land- und Forstwirte, Schüler, Studenten und Hausfrauen). 3) Empirischer Erklärungsansatz zur wirtschaftlichen Notwendigkeit einer Regulierung von Bausparkassen: Die besondere Schutzbedürftigkeit des Bausparers gegenüber dem klassischen Bankeinleger leitet sich aus drei Aspekten ab: a) dem Kollektivgedanken; b) der „doppelten“ Vorleistungspflicht des Bausparers; c) Zugrundelie-gen von Leistung und Gegenleistung auf langfristig geplanten mathematischen Modellrechnungen. Die Darstel-lung der tatsächlichen Aufsichtspraxis über die Bausparinstitute zeigt, dass der Gesetzgeber durch die Ausgestal-tung des Bausparkassenrechts als institutionellen Ordnungsrahmen das für jede Kreditbeziehung notwendige Ver-trauen hergestellt hat. Die restriktive Bausparkassengesetzgebung hat zu weiteren Reduzierungen von Informati-onsasym-metrien sowie Transaktionskosten geführt und somit das Zustandekommen von Transaktionen auf dem Markt für nachrangige Wohnungsbaufinanzierungsmittel überhaupt erst ermöglicht. Dabei stellen insbesondere das im §1 Abs. 1 Satz 2 BauSparG verankerte Spezialitätsprinzip (i.V.m. dem KWG), das ausschließlich Bausparkassen auf dem Markt für nachrangige Wohnungsbaufinanzierungsmittel zulässt (und damit verbundener Spezialisierungsvorteile, welche die Realisierung von Skalenerträgen und Senkung von Suchkosten ermöglichen), sowie die konservativen Beleihungswertvorschriften (i.V.m. dem HypBG) die notwendigen Bedingungen eines effektiven Einleger- und Gläubigerschutzes dar. Es wird ebenso verdeutlicht, dass damit eine Beschränkung der strategischen Geschäfts- und Diversifikationsmöglichkeiten der Bausparkassen gegenüber anderen Finanzinter-mediären verbunden ist. 4) Empirische Überprüfung von Theorien zum Sparverhalten in Bezug auf das Bausparwesen: Mit Hilfe der Altersstrukturanalyse der Bausparer wird gezeigt, dass die neoklassische Theorie unbefriedigende Erklärungsan-sätze liefert: So ist der Anteil älterer Bausparer in der Gruppe der Darlehensnehmer im Vergleich zu ihrem Anteil an den Sparern deutlich niedriger gewesen als es bspw. die Prämissen des CAPM-Modells vorsehen. Vielmehr decken sich die Beobachtungen mit den spartheoretischen Erkenntnissen der Lebenszyklustheorie: a) die sich re-lativ häufiger in der Erwerbsphase befindenden mittleren Altersgruppen (zwischen 20 bis unter 50 Jahren) sind überproportional im Vergleich zur Gesamtbevölkerung bei den Bausparkassen vertreten; b) bei steigendem Alter nimmt die Nachfrage nach Bausparprodukten tendenziell ab (es kommt zu einer höheren Konsumverwendung zu Lasten der langfristigen Ersparnisbildung, zumal häufig in dieser Lebensphase schon Wohneigentum besteht); c) vor allem jüngere Wirtschaftssubjekte durchlaufen eine Vermögensaufbauphase, zumal der Anteil „jüngerer“ Bausparer (bis unter 40 Jahre) sukzessive gestiegen ist. 5) Empirischer Kennzahlenvergleich anhand der Rentabilitäts- und Ertragslage zur annäherungsweisen Quantifizierung des betriebswirtschaftlichen Erfolges bzw. Misserfolges der Bausparkassen: Gemessen an der Aufwands-Ertrags-Quote wird gezeigt, dass die Bausparkassen die von ihr angebotenen Leistungen zumindest bis 1982 „effizient“ erbracht haben. Gemessen an den Gesamtkapitalrenditen konnten die Bausparkassen eben-falls gegenüber ihren Wettbewerbern aus dem Bereich der Kreditinstitute, insbesondere den Hypothekenbanken, konkurrenzfähig bleiben und überdurchschnittliche Renditen bei gleichzeitiger Übernahme höherer Risiken (bei Wertberichtigungen von stets unter 2 Prozent der Bilanzsumme) erzielen, wenngleich auch hier ab den 1980er Jahren ein negativer Trend nicht ausblieb. Die Ergebnisse zeigen, dass die Bausparkassen, gerade weil sie primär als Wohnungsbaufinanzierer im nachstelligen und somit per se risikohöheren Bereich aufgetreten sind, durchaus konkurrenzfähig waren und aufgrund ihrer institutionellen Eigenschaften in besonderem Maße: erstens zur Stabi-lität des Finanzsystems insgesamt beitrugen; zweitens eine vergleichsweise (gegenüber dem Kapitalmarkt) güns-tige Finanzierungsalternative von nachstelligen Darlehen anboten; und dadurch drittens einen erheblichen Beitrag zur Linderung der Wohnungsnot in der unmittelbaren Nachkriegszeit sowie einer breiteren Eigentumsstreuung in den folgenden Jahrzehnten leisteten.

Item Type: Thesis (PhD thesis)
Creators:
CreatorsEmailORCIDORCID Put Code
Kohlhase, Thomas Rudolftkohlhase@gmx.deUNSPECIFIEDUNSPECIFIED
URN: urn:nbn:de:hbz:38-46517
Date: 2012
Language: German
Faculty: Faculty of Management, Economy and Social Sciences
Divisions: Faculty of Management, Economics and Social Sciences > Economics > Microeconomics, Institutions and markets > Professorship for Economic and Entrepreneurial History
Subjects: Social sciences
Economics
Management and auxiliary services
Uncontrolled Keywords:
KeywordsLanguage
Bausparkasse; Bausparkassen; Bausparen; Bausparkassenwesen; KollektivGerman
Neue Institutionenökonomik; Neue Institutionenökonomie; InstitutionenökonomischGerman
Finanzkrise; Finanzinstitution; Finanzintermediär; FinanzstabilitätUNSPECIFIED
Regulierung; Bankenregulierung; Wirtschaftsgeschichte; BankenaufsichtUNSPECIFIED
Wohnungsfinanzierung; Wohnungsbaufinanzierung; WohnungsbauprämieUNSPECIFIED
Nachstelliger KreditUNSPECIFIED
Screening; SignallingUNSPECIFIED
Date of oral exam: 11 January 2012
Referee:
NameAcademic Title
Pierenkemper, ToniProfessor Doktor
Refereed: Yes
URI: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/4651

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