Knopp, Matthias (2013). Mediale Räume zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Zur Theorie und Empirie sprachlicher Handlungsformen. PhD thesis, Universität zu Köln.

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Abstract

Die Dissertationsschrift untersucht sprachliche Handlungsformen, die entsprechend ihrer medialen Vermitteltheit unterschiedlich zwischen den Polen Mündlichkeit und Schriftlichkeit zu verorten sind, und darin realisierte sprachliche Handlungsmuster aus linguistischer, funktionaler Perspektive. Die zentrale Hypothese besteht in der Annahme eines merklichen Einflusses des Mediums auf die in ihm realisierten sprachlichen Interaktionen. Eng damit verbunden ist die Frage nach der kommunikationstheoretischen Verortung ‚Neuer‘ Kommunikationsformen, d.h. solcher, die mithilfe digitaler Medien operieren, z.B. Chat oder Forum. Diese wirken in theoretischer Hinsicht fest gefangen in der Polarität zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Auf einer Metaebene ist die Annahme leitend, dass die hier erfolgte sowohl theoretisch als auch empirisch fundierte Fassung des Gegenstands Chat – als besonders aufschlussreiches Exemplar derartiger Kommunikationsformen – zu grundsätzlichen Aussagen über das komplexe und aktuell in Diskussion stehende Verhältnis von Mündlichkeit und Schriftlichkeit beiträgt. Die ausführliche Diskussion des aktuellen Forschungsstandes erfolgt entlang eines funktional geprägten Konzepts von Raum. Sie offenbart die Insuffizienz bislang vorgenommener Verortungen neuer Kommunikationsformen, z.B. Chat als medial schriftliche und zugleich konzeptionell mündlich. Denn oftmals erfolgen diese Verortungen lediglich anhand von Analysen einzelner Fallbeispiele, heterogener Korpora bzw. ausschließlich theoriegeleitet. Die dazu verwendeten Modelle sind häufig unzureichend, da sie dem Gegenstand nicht angemessen sind. In nahezu allen Arbeiten ist die Frage nach der Gesprächshaftigkeit von Chat latent. Sie wird primär auf der Folie einer prototypischen Mündlichkeit zu beantworten versucht. Das dazu in der Mehrheit der Arbeiten herangezogene Nähe-/Distanz-Modell von Koch/Oesterreicher (1985) erreicht dabei eine Prominenz, die dessen Antimedialitätsposition (Wrobel 2010) geradezu diametral entgegen läuft. Denn trotz der im Modell zentral verankerten Medialität bleibt diese bei genauerer Betrachtung unausgeführt. Aus diesem Grund wird in der Arbeit eine modifizierte Modellvariante vorgeschlagen, die insbesondere die differenzierte Einordnung Neuer Kommunikationsformen erlaubt, indem neben den zentralen Dimensionen Aktant und Raum eine dritte, Medium, ausführliche Berücksichtigung findet. Der Modellvorschlag ermöglicht in der Folge eine über bisherige Ansätze hinausgehende Erfassung des Gegenstands, auch konzeptionell sowie terminologisch. Er liefert zugleich die Grundlage für eine ausführliche Diskussion gegenstandsangemessener Analysekategorien und -verfahren, die in der Folge zum Einsatz kommen. Der empirische Beleg des medialen Einflusses wird mithilfe eines experimentellen Laborsettings erbracht: Sich funktional entsprechende Diskursarten werden einem explorativen Vergleich unterzogen, indem ein identischer Problemlöseprozess – die kooperative Erzeugung einer schriftlichen Stellungnahme – in drei unterschiedlichen Kommunikationsformen wachsender Zerdehntheit (elementare Sprechsituation, Chat, Forum) durchlaufen wird. Die hochkontrolliert evozierten Teilkorpora bestehen sowohl aus Prozessdaten (Interaktionen ‚auf dem Weg‘ zur fertigen Stellungnahme = Diskurs) als auch Produktdaten (finaler Entwurf der Stellungnahme = Text), was der Gefahr einer einseitig produktorientierten Analyse entgegenwirkt. Die für die Empirisierung des Gegenstandes erfolgte Kombination aus quantitativen (z.B. Berechnung der Type-Token-Relation, Identifikation satzwertiger Propositionen, entsprechende Korrelationen und Effektstärken) sowie qualitativen Verfahren (adaptierte Methoden der funktional-pragmatischen Diskursanalyse, z.B. Identifizierung von Sprechhandlungen und Handlungsmustern) führt zu einem Vergleich vorfindlicher, weitgehend authentischer Kommunikate, der in dieser Weise neuartig ist. Im Ergebnis zeigt sich, dass die ‚Spuren des Apparats‘ (Krämer 2000) je Bedingung insbesondere an der sprachlichen Oberfläche zutage treten. Dies sind für alle drei Bedingungen typische, d.h. solche, die in der Forschungsliteratur bereits vielfach Beachtung gefunden haben, im Chat z.B. Anakoluthe oder Emoticons. Dagegen finden sich in den sprachlichen Tiefenstrukturen sehr vergleichbare, wenn nicht identische Realisierungen sprachlicher Handlungsformen, z.B. nahezu gleichförmige Realisierungen des Musters Begründen. Diese erscheinen weitgehend unabhängig von der Bedingung, in der die Interaktionen realisiert werden. Der Einfluss des Mediums wird durch diese Ergebnisse deutlich relativiert. Literatur: - Koch, Peter u. Oesterreicher, Wulf (1985): Sprache der Nähe – Sprache der Distanz. Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Spannungsfeld von Sprachtheorie und Sprachgeschichte. In: Romanistisches Jahrbuch (36), 15–43 - Krämer, Sybille (2000): Das Medium als Spur und Apparat. In: ebd. (Hrsg.): Medien, Computer, Realität: Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien. Frankfurt am Main: Suhrkamp, 73–94 - Wrobel, Arne (2010): Raffael ohne Hände? Mediale Bedingungen und Faktoren des Schreibens und Schreibenlernens. In: KöBeS – Kölner Beiträge zur Sprachdidaktik (7), 27–45

Item Type: Thesis (PhD thesis)
Translated title:
TitleLanguage
Crossing Mediated Spaces Between Orality and Scripturality. On Theory and Empiricism of Linguistic Forms of ActionEnglish
Translated abstract:
AbstractLanguage
Despite the growing multimodality of the internet writing is still the practice par excellence for communication in the digital space (Herring 2011). Regarding the key supposition that the medium inscribes itself into the communication artefacts and the process of communicating (Krämer 2000), new media communication shows effects of the carrier medium in particular. Strongly linked to this is the question of how these new (modern) forms of communication (chat, internet forum, Twitter etc.) can be located in a theory of communication. Forms like chat seem to be tightly trapped in the polarity between scripturality and orality. In other words: In new media communication users often write as they speak. To what extent forms like chat can be categorized as conversation is often theoretically answered on the background of a prototypical orality. Studies with a firmly empirical interest are lacking. My explorative comparative study compares three corpora of functionally according interactions (which is new in the research area of ‘Computer Mediated Discourse Analysis‘). Equal groups of students had to write a single statement to the question of how to react to street musicians who enter sidewalk cafés without being asked and demanding money for their music (= trigger for the interaction processes). For this purpose the use of a specific form of communication (one of three different, see below) was obligatory, the use of alternative modalities was not permitted. Object of study is both, interactions (that is the process of communication) and statements (that is the product of communication reduced to writing). The three corpora comprise data from face-to-face interactions (videographed and transcribed), interactions in internet forums (static logfiles) and chatrooms (dynamic retrospect and static logfiles). It is the specific feature in this design that the independent variable consists solely in the form of communication. All other variables are strictly controlled. The results show conversant phenomena (in the dimension of interactions = processes) according to the applied form of communication (e.g. typical linguistic characteristics like anacoluthons in the condition face-to-face, fully developed sentences in the condition internet forum or the various use of emoticons in the condition chatroom). In spite of this diversity on the linguistic surface the interactions show very similar (respectively identical) use of linguistic forms of action (e.g. question -- > answer or the structure of agreements) in the deep structure. This result is supported by the consistent quality of the statements (= products). Concerning the deep structures the linguistic forms of action appear largely independent of the conditions in which the interactions are realized. The influence of the medium is clearly qualified by these results. Bibliography: - Herring, Susan C. (2011): Digital media. In: Hogan, Patrick Colm (ed.): The Cambridge Encyclopedia of the Language Sciences. Cambridge at al.: Cambridge University Press, 257–260 - Krämer, Sybille (ed.) (2000): Medien, Computer, Realität: Wirklichkeitsvorstellungen und Neue Medien. Frankfurt am Main: SuhrkampEnglish
Creators:
CreatorsEmailORCIDORCID Put Code
Knopp, Matthiasmatthias@designorama.deUNSPECIFIEDUNSPECIFIED
URN: urn:nbn:de:hbz:38-51501
Date: 11 July 2013
Language: German
Faculty: Faculty of Arts and Humanities
Divisions: Ehemalige Fakultäten, Institute, Seminare > Faculty of Arts and Humanities > Institut für Deutsche Sprache und Literatur mit volkskundlicher Abteilung
Subjects: Language, Linguistics
Uncontrolled Keywords:
KeywordsLanguage
Medialität, Medium, Kommunikationsform, funktionaler Vergleich, Chat, Spur, Apparat, Medieneinfluss, Nähe/Distanz, Mündlichkeit, Schriftlichkeit, Kommunikation, Zerdehntheit, digital, Neue Medien, explorative Vergleichsstudie, Computer Mediated Discourse Analysis, Kommunikation und Interaktion im ChatraumGerman
Media, Orality, Scripturality, digital communication, new media communication, explorative comparative study, Computer Mediated Discourse Analysis, communication and interaction in chat roomsEnglish
Date of oral exam: 8 May 2013
Referee:
NameAcademic Title
Becker-Mrotzek, MichaelProf. Dr.
Grabowski, JoachimProf. Dr.
Refereed: Yes
URI: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/5150

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