Schons, Maximilian ORCID: 0000-0002-4317-3484 (2023). Auswirkungen der Antibiotikatherapie auf klinische Endpunkte bei COVID-19 Patient:innen auf der Grundlage einer Analyse der Daten der Lean European Open Survey on SARS-CoV-2 Infected Patients (LEOSS) Kohorte. PhD thesis, Universität zu Köln.

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Abstract

Antibiotika finden breite Anwendung in der Prävention und Therapie von bakteriellen Infektionen bei Menschen und Tieren. Aufgrund der therapieinhärenten Selektionsprozesse wird ein zunehmender Anteil der Infektionen durch resistente Erreger bedingt. Der im Januar 2022 veröffentlichte „Global burden of bacterial antimicrobial resistance“ beziffert die Effekte durch Resistenzbildung auf jährlich 4.95 Mio Menschenleben für das Jahr 2019. Die World Health Organization (WHO) zählt antimikrobielle Resistenz (AMR) zu den 10 größten globalen Gesundheitsgefahren. Die im Dezember 2019 erstmalig beschriebene Coronavirus disease 2019 (COVID-19), hervorgerufen durch den Erreger severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2 (SARS-CoV-2), entwickelte sich rasant zu einer Erkrankung pandemischen Ausmaßes in einer immunnaiven Weltbevölkerung. Die Relevanz einer Antibiotikabehandlung bei COVID-19 Patient:innen wurde seit Beginn der Pandemie intensiv diskutiert: ob der initial vermuteten therapeutischen Wirkung vereinzelter Antibiotika, möglichen bakteriellen Ko- oder Superinfektionen und der komplexen Differentialdiagnose zur bakteriellen Pneumonie, die mit einer unmittelbaren Indikation zur antibiotischen Therapie einhergeht. Vor dem Hintergrund der beobachteten außerordentlich hohen Antibiotikatherapierate bei der viral bedingten COVID-19 wurden durch die WHO frühzeitig Empfehlungen ausgesprochen. Nur bei dringendem Verdacht auf eine bakterielle Ko- und/oder Superinfektion und mittelschweren bis schweren COVID-19 Krankheitsverläufen soll eine Antibiotikatherapie erwogen werden. Die vorliegende Arbeit greift diese Empfehlung auf und untersucht den Effekt antibiotischer Behandlungen auf Mortalität und Fortschritt in eine schwerere Krankheitsphase unter Berücksichtigung bekannter Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht und Komorbiditäten. Dabei werden die Patient:innen sowohl nach Schwere des Verlaufs (unkompliziert, kompliziert, kritisch), als auch nach Procalcitonin (PCT) mit einem Grenzwert von 0.5 ng/ml stratifiziert. PCT ist ein für die Diagnostik der ambulant erworbenen Pneumonie etablierter Marker zur Differenzierung von bakteriellen und viralen Infektionen, der bislang nicht hinreichend für COVID-19 validiert wurde. Als primärer Endpunkt wurde in der vorliegenden Dissertation für Patient:innen in der komplizierten Krankheitsphase mit PCT ≤ 0.5 ng/ml die Korrelation zwischen einer Antibiotikabehandlung und der Gesamtmortalität bzw. dem Fortschreiten in die kritische Krankheitsphase berechnet. Sekundäre Endpunkte waren analoge Analysen bei unkomplizierten Patient:innen ≤ und > 0.5 ng/ml PCT, sowie komplizierten Patient:innen > 0.5 ng/ml PCT. Es wurden hierzu Daten des ersten Jahres der Anfang März 2020 etablierten LEOSS Kohorte genutzt (Lean European Open Survey on SARS-CoV-2 Infected Patients cohort, DRKS: S00021145). LEOSS ist eine multizentrische, multinationale, retrospektive Kohorte, die zum Zeitpunkt der Datenextraktion knapp 6,500 Patient:innen umfasste. 3,627 hospitalisierte COVID-19 Fälle mit dokumentiertem Antibiotikaeinsatz konnten für die anschließenden Analysen verwendet werden. Methodisch wurde bei den univariaten Analysen und der Missingness-Analyse der Zusammenhang der einzelnen Variablen mit dem exakten Fisher- Test auf Signifikanz geprüft. Für die multivariaten Analysen wurde ein logistisches Regressionsmodell verwendet. Für die signifikanten Einflussvariablen in der multivariaten Analyse wurden die Odds Ratios mit dem 95%-Konfidenzintervall berechnet. Bei allen Analysen wurde ein zweiseitiges Signifikanzniveau von p = 0,05 verwendet. Die analysierte Sub-Kohorte weist demografisch typische Merkmale von hospitalisierten COVID-19 Patient:innen auf. Bekannte Risikofaktoren wie männliches Geschlecht, Patient:innenalter > 55 Jahre und ein Charlson Comorbidity Index (CCI>3) zeigten alle unabhängig signifikant erhöhte Sterblichkeitsrisiken. Alle Subgruppen erhielten häufig Antibiotika, unabhängig von der jeweiligen Krankheitsschwere und PCT Werten. Die verabreichten Antibiotikaklassen entsprechen hauptsächlich den in der deutschen Leitlinie für ambulant erworbene oder nosokomiale Pneumonien empfohlenen empirischen Antibiotika. Weder für den primären noch für sekundäre Endpunkte konnte ein signifikanter Nutzen der Antibiotikatherapie bei COVID-19 bzgl. Mortalität und Krankheitsprogression in den multivariablen Analysen nachgewiesen werden. Vor dem Hintergrund der zunehmenden bakteriellen Resistenzentwicklung ist die Indikation einer Antibiotikatherapie bei mit COVID- 19-Erkrankten daher sorgfältig zu prüfen und PCT als zusätzliches infektiologisches Diagnostikinstrument zu erwägen. Diese Arbeit wird durch ähnliche internationale wissenschaftliche Publikationen zum Antibiotikaeinsatz bei COVID-19 kontextualisiert. Besondere Stärken der vorliegenden Arbeit ist die Betrachtung der ersten und zweiten COVID-19 Welle (März 2020 – Februar 2021), die breite und aufgrund des anonymen Registerdesign relativ unverzerrte Rekrutierung in über 100 Zentren, sowie der Fokus auf die Evaluierung des diagnostischen Markers PCT. Wesentliche Limitationen sind der Ausschluss von pädiatrischen und schwangeren COVID-19 Fällen, unzureichende Informationen zum klinischen Status des / der Patient:in (bspw. Sequential Organ Failure Assessment (SOFA)-Score), fehlende Nachverfolgung, sowie Aggregationen der klinischen Daten über eine Krankheitsphase hinweg. Die Diversität zwischen Publikationen zum Antibiotikaeinsatz bei COVID-19 bzgl. Definitionen, Nachverfolgungszeiträumen und Studiendesigns zeigen einen klaren Bedarf für Standardisierung auf, um zukünftig bessere Vergleichbarkeit sicherzustellen und für ein nächstes pandemisches Ereignis vorbereitet zu sein. Die vorliegende Arbeit liefert zusammenfassend Evidenz dafür, dass bei kompliziertem COVID-19 und normwertigem PCT antibiotische Behandlungen keinen protektiven Effekt bzgl. Mortalität und Krankheitsprogression für Patient:innen mit sich bringen. Gleiches gilt für unkomplizierte Verläufe. Es bedarf zukünftiger Untersuchungen, um Lücken im Verständnis der optimalen Antibiotikatherapie bei SARS-CoV-2, wie bspw. für besonders vulnerablen Patient:innen-Subgruppen oder Erreger-Varianten, zu adressieren.

Item Type: Thesis (PhD thesis)
Translated title:
TitleLanguage
Impact of antibiotic therapy on clinical endpoints in COVID-19 patient:ins based on an analysis of data from the Lean European Open Survey on SARS-CoV-2 Infected Patients (LEOSS) cohort.English
Translated abstract:
AbstractLanguage
Antibiotics are widely used in the prevention and therapy of bacterial infections in humans and animals. Due to the selection processes inherent in therapy, an increasing proportion of infections are caused by resistant pathogens. The Global burden of bacterial antimicrobial resistance, published in January 2022, puts the effects of resistance at 4.95 million lives annually for 2019, and the World Health Organization (WHO) ranks antimicrobial resistance (AMR) among the top 10 global health threats. First described in December 2019, coronavirus disease 2019 (COVID-19), caused by the pathogen severe acute respiratory syndrome coronavirus type 2 (SARS-CoV-2), rapidly emerged as a disease of pandemic proportions in an immune-naïve global population. The relevance of antibiotic treatment in COVID-19 patients has been intensively debated since the beginning of the pandemic: whether the initial presumed therapeutic effect of isolated antibiotics, possible bacterial co-infections or superinfections, and the complex differential diagnosis to bacterial pneumonia associated with an immediate indication for antibiotic therapy. Against the background of the observed extraordinarily high antibiotic treatment rates in viral COVID-19, early recommendations were made by the WHO. Antibiotic therapy should be considered only in cases of urgent suspicion of bacterial coinfection and/or superinfection and moderate to severe COVID-19 disease. The present study takes up this recommendation and examines the effect of antibiotic treatment on mortality and progression to a more severe phase of the disease, taking into account known risk factors such as age, sex, and comorbidities. Patients are stratified according to the severity of the course (uncomplicated, complicated, critical) as well as according to procalcitonin (PCT) with a threshold of 0.5 ng/ml. PCT is an established marker for the diagnosis of community-acquired pneumonia to differentiate bacterial and viral infections, which has not been adequately validated for COVID-19. The primary endpoint calculated in the present dissertation for patients:in the complicated disease phase with PCT ≤ 0.5 ng/ml was the correlation between antibiotic treatment and all-cause mortality or progression to the critical disease phase. Secondary endpoints were analogous analyses in uncomplicated patients ≤ and > 0.5 ng/ml PCT, and complicated patients > 0.5 ng/ml PCT. Data from the first year of the LEOSS cohort established in early March 2020 (Lean European Open Survey on SARS-CoV-2 Infected Patients cohort, DRKS: S00021145) were used for this purpose. LEOSS is a multicenter, multinational, retrospective cohort that included nearly 6,500 patient:ing at the time of data extraction. 3,627 hospitalized COVID-19 cases with documented antibiotic use were eligible for subsequent analyses. Methodologically, for the univariate analyses and the missingness analysis, the association of each variable was tested for significance using the Fisher exact test. For the multivariate analyses, a logistic regression model was used. For the significant influence variables in the multivariate analysis, odds ratios were calculated using the 95% confidence interval. A two-sided significance level of p = 0.05 was used in all analyses. The sub-cohort analyzed has demographically typical characteristics of hospitalized COVID-19 patient:inmates. Known risk factors such as male sex, patient:ing age > 55 years, and a Charlson Comorbidity Index (CCI>3) all independently showed significantly increased mortality risks. All subgroups received antibiotics frequently, regardless of their respective disease severity and PCT values. The antibiotic classes administered mainly corresponded to the empirical antibiotics recommended in the German guideline for community-acquired or nosocomial pneumonia. Neither for the primary nor for secondary endpoints a significant benefit of antibiotic therapy in COVID-19 regarding mortality and disease progression could be demonstrated in the multivariable analyses. Against the background of the increasing development of bacterial resistance, the indication of antibiotic therapy in patients with COVID-19 should be carefully evaluated and PCT should be considered as an additional infectious diagnostic tool. This work is contextualized by similar international scientific publications on antibiotic use in COVID-19. Particular strengths of the present work are the consideration of the first and second COVID-19 wave (March 2020-February 2021), the broad and, due to the anonymous registry design, relatively unbiased recruitment in more than 100 centers, and the focus on the evaluation of the diagnostic marker PCT. Major limitations are the exclusion of pediatric and pregnant COVID-19 cases, insufficient information on the clinical status of the patient(s) (e.g., Sequential Organ Failure Assessment (SOFA) score), lack of follow-up, and aggregation of clinical data across a disease phase. The diversity between publications on antibiotic use in COVID-19 in terms of definitions, follow-up periods, and study designs indicate a clear need for standardization to ensure better comparability in the future and to be prepared for a next pandemic event. In summary, the present work provides evidence that in complicated COVID-19 and normative PCT, antibiotic treatment has no protective effect on mortality and disease progression for patients. The same is true for uncomplicated courses. Future studies are needed to fill gaps in the understanding of optimal antibiotic optimal antibiotic therapy for SARS-CoV-2, e.g. for particularly vulnerable patient subgroups or pathogen variants.English
Creators:
CreatorsEmailORCIDORCID Put Code
Schons, MaximilianUNSPECIFIEDorcid.org/0000-0002-4317-3484UNSPECIFIED
URN: urn:nbn:de:hbz:38-705322
DOI: 10.1007/s15010-021-01699-2
Date: 26 July 2023
Language: German
Faculty: Faculty of Medicine
Divisions: Faculty of Medicine > Innere Medizin > Klinik I für Innere Medizin - Hämatologie und Onkologie
Subjects: Medical sciences Medicine
Uncontrolled Keywords:
KeywordsLanguage
antibioticsEnglish
COVID-19English
LEOSSEnglish
Date of oral exam: 24 May 2023
Referee:
NameAcademic Title
Vehreschild, J. J.Universitätsprofessor Dr. med.
Jantsch, J. A. M.Universitätsprofessor Dr. med.
Refereed: Yes
URI: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/70532

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