Könn, Leonard Günter ORCID: 0000-0003-0425-3278 (2025). Impulsivität und Kompulsivität bei Tourette Syndrom und Zwangserkrankung. PhD thesis, Universität zu Köln.

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Abstract

In dieser Arbeit wurden die Verhaltensweisen Impulsivität und Kompulsivität bei Patient_innen mit Tourette Syndrom, einer Form der Tic-Erkrankungen, und Patient_innen mit Zwangsstörung untersucht. Impulsivität wird als Verhalten beschrieben, welches überhastet und schlecht geplant ist. Kompulsivität hingegen beschreibt eine Unfähigkeit Handlungen zu beenden, auch wenn diese unangebracht sind. Beide gehen jeweils mit negativen Konsequenzen für die handelnde Person oder ihr Umfeld einher. Es können unterschiedliche Phänomene bzw. Facetten innerhalb von Impulsivität oder Kompulsivität beobachtet. Diese werden als Dimensionen bezeichnet und können unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Es handelt sich somit um multidimensionale Verhaltenskonstrukte. Impulsives Verhalten kann sich z.B. in Form von reduzierter Aufmerksamkeit oder gesteigerter Risikobereitschaft äußern. Kompulsives Verhalten kann sich auf Symmetrie, Perfektionismus oder Kontamination beziehen. Wir befinden uns in einer Zeit des Wandels ganzer Diagnosesysteme von einem kategorischen hin zu einem dimensionalen Ansatz. Menschen mit z.B. einer Zwangssymptomatik könnten in Zukunft nicht mehr die Diagnose „Zwangsstörung“, sondern Attribute wie „impulsiv(er)“ oder „kompulsiv(er)“ erhalten. Ein genaues Verständnis der dimensional erfassten Symptomatik ist demnach von höchster Bedeutung. Ziel der Studie war es impulsive und kompulsive Verhaltensweisen bei Patient_innen mit Zwangsstörung sowie Patient_innen mit Tourette Syndrom zu untersuchen um die multidimensionale Struktur zu verdeutlichen. Es erfolgte eine Einteilung des Patient_innenkollektivs in die Gruppen Tourette Syndrom, Zwangsstörung sowie gesunde Kontrollproband_innen. Es wurden Fragebögen und eine Verhaltenstestung für Impulsivität sowie eine Verhaltenstestung für Kompulsivität genutzt. Darüber hinaus wurden Emotionen und Komorbiditäten (z.B. Depression) als mögliche Einflussfaktoren auf Impulsivität und Kompulsivität untersucht. Statistische Verfahren umfassten den Kolmogorov-Smirnov Test (Prüfung der Normalverteilung der Daten), den Kruskal-Wallis-Test inklusive Post-Hoc Tests mit Bonferroni Korrektur (Prüfung signifikanter Gruppenunterschiede) sowie die Ermittlung des Spearman-Rangkorrelationskoeffizient rs (Prüfung von Korrelationen). Eine Dimension impulsiven Verhaltens stellt Aufmerksamkeit dar: je weniger aufmerksam, desto impulsiver das Verhalten. Es konnte eine signifikante Reduktion der Dimension Aufmerksamkeit im BIS-11 (Barratt Impulsiveness Scale-11 ) Fragebogen bei Patinent_innen mit Zwangsstörung im Vergleich zu Kontrollproband_innen aufgezeigt werden. Alle anderen Dimensionen der Impulsivität desselben Fragebogens (Motorik, Nicht-planend) ergaben jedoch keine Hinweise auf eine gesteigerte Impulsivität. Der dimensionsübergreifende Gesamtwert des Fragebogens suggerierte wiederum signifikant impulsiveres Verhalten bei Patiente_innen mit Zwangsstörung. Teilweise wurden in vergangenen Studien in dieser Ergebniskonstellation die Patient_innen als „impulsiver“ bezeichnet. Letztendlich beruhte der signifikant gesteigerte Gesamtwert des BIS-11 Fragebogens jedoch ausschließlich auf der besagten reduzierten Aufmerksamkeit und lässt aus unserer Sicht somit keinen unvoreingenommenen Rückschluss auf allgemein gesteigerte Impulsivität zu. Andere Erklärungsmodelle abseits einer gesteigerten Impulsivität für die beobachtete reduzierte Aufmerksamkeit (z.B. eine Verwechslung mit Zwangsgedanken) erschienen nach Prüfung unserer Daten naheliegend. Patient_innen mit Tourette Syndrom zeigten im Vergleich zu gesunden Kontrollproband_innen hinsichtlich impulsiver Verhaltensweisen ausschließlich einen signifikanten Mangel an Aufmerksamkeit. Da alle anderen Dimensionen ohne signifikante Unterschiede blieben ist, wie bei Patient_innen mit Zwangsstörung, eine gesteigerte Impulsivität als alleiniges Erklärungsmodell für die reduzierte Aufmerksamkeit nicht anzunehmen. Weiterhin ist die Unterscheidung zwischen subjektiv empfundener und objektivierbarer Impulsivität entscheidend. In dieser Studie deckten sich die Beobachtungen der unterschiedlichen Untersuchungsansätze nicht: Selbstempfundene Impulsivität bei Patient_innen mit Zwangsstörung sowie bei Patient_innen mit Tourette Syndrom ließ sich in der Verhaltenstestung nicht objektivieren. Die Studienlage hinsichtlich gleichzeitiger Nutzung beider Testmethoden ist allgemein ausbaufähig. Darüber hinaus konnte in dieser Studie, kongruent zu vorangegangenen Beobachtungen, ein starker Zusammenhang von negativen Emotionen mit der Entscheidungsfindung von Patient_innen mit Zwangsstörung aufgezeigt werden. Impulsives Verhalten im Rahmen der Dimension Dringlichkeit im UPPS (Urgency Perseverance, Premeditation, Sensation Seeking) Fragebogen, welche mit negativen Emotionen assoziiert wird, war in diesem Patient_innenkollektiv, kongruent zu vorangegangenen Studien, stark ausgeprägt. Ebenso konnten verstärkt ängstlich-vermeidende Verhaltensweisen bei Patient_innen mit Zwangsstörung im Vergleich zu gesunden Kontrollproband_innen beobachtet werden, diese korrelierten sogar mit der Ausprägung der Zwangssymptomatik. Gesteigerte Kompulsivität konnte, entgegen unseren Erwartungen, weder bei Patient_innen mit Tourette Syndrom noch bei Patient_innen mit Zwangsstörung aufgezeigt werden. Insgesamt bestätigen die Ergebnisse die Annahme, dass bei der Einschätzung impulsiver Verhaltensweisen, unabhängig des Patient_innenkollektivs, die Beachtung des multidimensionalen Konstruktes von großer Bedeutung ist. Die Vielschichtigkeit der Impulsivität, wie auch von Verhalten im Allgemeinen, spiegelte sich in dieser Arbeit wider. Subjektive und objektive impulsive Verhaltensweisen zeigten unterschiedliche Ergebnisse auf, ebenso konnte ein möglicher Einfluss von Komorbiditäten beobachtet werden. Für zukünftige Studien empfehlen wir bei der Auswertung impulsiver Verhaltensweisen die Nutzung bereits bestehender multidimensionaler Ansätze innerhalb einzelner Untersuchungsmethoden (z.B. im BIS-11 Fragebogen). Darüber hinaus sind wir der Annahme, dass die Inklusion mehrerer unterschiedlicher Testmethoden (z.B. subjektiver wie auch objektiver) in der Zusammenschau aufschlussreich sein kann, und durch den zusätzlichen Informationsgewinn ein besseres Verständnis für die beobachteten Verhaltensweisen ermöglicht werden kann.

Item Type: Thesis (PhD thesis)
Creators:
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Email
ORCID
ORCID Put Code
Könn, Leonard Günter
leonard.koenn@gmx.de
UNSPECIFIED
URN: urn:nbn:de:hbz:38-788255
Date: 2025
Place of Publication: Köln
Language: German
Faculty: Faculty of Medicine
Divisions: Faculty of Medicine > Psychiatrie und Psychotherapie > Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Subjects: Medical sciences Medicine
Uncontrolled Keywords:
Keywords
Language
Zwangsstörung, Zwangserkrankung, Tourette Syndrom, Impulsivität, Kompulsivität, Verhalten, Aufmerksamkeit Dimensionale Psychiatrie, Multidimensionalität,
German
Barratt Impulsiveness Scale 11, BIS-11, UPPS, Immediate then delayed memory task, IMT/DMT, Two-Step Test, Behavioural Inhibition, Behavioural Activation, BIS/BAS, Obsessive Compulsive Inventory Revised, OCI-R, Adult Tic Questionnaire, ATQ
English
Date of oral exam: 5 May 2025
Referee:
Name
Academic Title
Kuhn, Jens
Prof. Dr. med.
Gouzoulis-Mayfrank, Euphrosyne
Prof. Dr. med.
Refereed: Yes
URI: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/78825

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