Erdmann, Svenja (2025). Adoleszente idiopathische Skoliose – Risikofaktoren für eine verspätete Diagnostik und Einfluss des Diagnosezeitpunktes auf Therapieerfolg und Krankheitsverlauf. PhD thesis, Universität zu Köln.

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Abstract

Die Wichtigkeit einer frühen Diagnosestellung und eines zeitgerechten Therapiebeginns für den Therapierfolg bei adoleszenter idiopathischer Skoliose wird in der Literatur vielerorts betont. Gleichzeitig stellen einige Autor*innen fest, dass es nicht selten zu einer verzögerten Diagnostik und Therapie kommt, mit den entsprechenden negativen Auswirkungen auf das Outcome der Patient*innen. Dabei wurde bisher der Einfluss von sozialen Faktoren auf den Therapiezeitpunkt und die Entwicklung des Cobb-Winkels kaum beleuchtet. Das Ziel der vorliegenden Arbeit war es somit, Faktoren zu identifizieren, die sich auf den Zeitpunkt der Diagnostik und Therapie von adoleszenter idiopathischer Skoliose auswirken und zu Verzögerungen führen. Durch diese Ergebnisse sollten idealerweise Konsequenzen für das aktuell durchgeführte Screening, z.B. im Sinne einer gezielteren Untersuchung der identifizierten Risikogruppen, gezogen und der Therapieerfolg für die Patient*innen verbessert werden. Die Datenerhebung erfolgte mithilfe einer prospektiven Beobachtungsstudie mittels standardisierter Fragebögen im Rahmen der ambulanten Skoliosesprechstunde der Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Uniklinik Köln (UKK) im Zeitraum von September 2016 bis August 2019. Insgesamt enthält die Studie Daten von 177 Patient*innen im Alter zwischen 7 und 17 Jahren. Die Patient*innen für die Studie wurden im Rahmen der wöchentlichen Skoliosesprechstunde der orthopädischen Poliklinik rekrutiert und füllten den für diese Arbeit erstellten Fragebogen aus. Durch die/den behandelnde/n Ärztin/Arzt erfolgten die Erfassung des Cobb-Winkels und des Risser-Stadiums anhand der in der Sprechstunde durchgeführten Röntgenaufnahmen. Bei jedem erneuten Besuch der Sprechstunde durch die Patient*innen der Studie wurden Follow-Up Daten erfasst. Es erfolgte die Einteilung der Patient*innen in zwei Gruppen anhand des Risser-Stadiums bei Zeitpunkt der Erstdiagnose. Diese Gruppen wurden dann bezüglich sozialer Faktoren und Therapieoutcome verglichen. Bei Vorliegen eines Risser-Stadiums von 3-5 bei Erstdiagnose wurden die Patient*innen als zu spät diagnostiziert klassifiziert. Der Anteil dieser betrug 49,3%, was die Grundhypothese der Arbeit, dass viele Patient*innen mit AIS zu spät diagnostiziert werden, bestätigte. Bei den Patient*innen, die mit Risser 0-2 diagnostiziert wurden, fand nur bei 8,2% eine Zunahme des Cobb-Winkels im Beobachtungszeitraum statt und bei 83,6% konnte der Cobb-Winkel reduziert werden, bei den Patient*innen mit Risser 3-5 dagegen nahm bei 40% der Cobb-Winkel zu und nur bei 30% konnte er durch die Therapie verbessert werden. Bei den früher diagnostizierten Patient*innen konnte also häufiger eine Progression der AIS durch die Therapie verhindert werden und es hat häufiger eine Verbesserung des Cobb-Winkels stattgefunden. Bei 60% der spät diagnostizierten Patient*innen konnte allerdings durch eine adäquate Therapie auch eine Progredienz des Cobb-Winkels verhindert bzw. sogar eine Verringerung erzielt werden. Somit ist eine Skoliosetherapie auch bei Patient*innen mit Risser ≥ 3 noch sinnvoll. Der Anteil der Mütter und Väter mit Abitur und akademischen Abschluss war bei den Patient*innen mit Risser 0-2 höher. Der Bildungsstand der Patient*innen selbst hatte keinen eindeutigen Einfluss. Ein höherer Bildungsstand der Eltern führt also dazu, dass die Patient*innen früher diagnostiziert werden. Außerdem war bei den spät diagnostizierten Patient*innen der Anteil an Jugendlichen, die nur mit einem Elternteil leben, höher. Die familiäre Situation kann also als Einflussfaktor für den Diagnosezeitpunkt herangezogen werden. Weiterhin war in der früh diagnostizierten Gruppe der Anteil an Patient*innen mit familiärer Disposition etwa 10% höher als in der spät diagnostizierten Gruppe. Der Einfluss eines möglichen Migrationshintergrundes auf den Diagnosezeitpunkt konnte aufgrund zu weniger Patient*innen aus Familien mit Migrationshintergrund nicht erfasst werden. Bezüglich der Lebens- und Therapiezufriedenheit im Follow-Up Zeitraum ließen sich zwischen den früh und spät diagnostizierten Patient*innen keine eindeutigen Unterschiede feststellen. Fast die Hälfte der Patient*innen gaben an, dass aus ihrer Sicht die Diagnose der Skoliose zu spät erfolgt sei. Als häufigste Ursache hierfür wurde die Wartezeit auf einen Termin bei der Fachärztin/beim Facharzt angegeben. In beiden Patient*innengruppen wurde die Skoliose am häufigsten vom Kinderarzt/von der Kinderärztin entdeckt. Am zweithäufigsten wurde die Skoliose durch die Eltern entdeckt und dies durchschnittlich auch später bzw. in einem höheren Risser-Stadium. Das Geschlecht der Patient*innen hatte keinen signifikanten Einfluss auf den Diagnosezeitpunkt. Insgesamt wird also ein hoher Anteil der Patient*innen zu spät diagnostiziert und dies führt zu einem geringeren Therapieerfolg. Eine adäquate Therapie verbessert jedoch, unabhängig vom Diagnosezeitpunkt, in einem Großteil der Fälle den Cobb-Winkel. Die Lebenssituation der Familie sowie der Bildungsstand der Eltern beeinflussen den Diagnosezeitpunkt. Weitere Faktoren für verspätete Diagnostik sind vor allem externe Faktoren, wie die Suche nach dem richtigen Facharzt/ der richtigen Fachärztin sowie Wartezeiten auf Termine. Die Ergebnisse dieser Arbeit verdeutlichen nicht nur, wie wichtig eine frühzeitige Diagnostik für das Therapieoutcome der Patient*innen ist, sondern auch, dass es bestimmte Risikofaktoren für eine verspätete Diagnostik gibt, auf die zukünftig verstärkt zu achten ist. Weiterhin wurden externe Umstände für verspätete Diagnostik aufgezeigt, die nicht von den Patient*innen beeinflusst werden können und auf die unbedingt mit Maßnahmen von Seiten des Gesundheitssystems reagiert werden sollte. Weiterhin zeigte die Recherche zu dieser Arbeit auf, dass die Studienlage bezüglich sozioökonomischer Einflussfaktoren auf den Diagnosezeitpunkt sowie zur Kosten-Nutzen-Abwägung der Einführung eines Skoliose-Screenings in Deutschland unzureichend ist. Ob und inwiefern es noch weitere Einflussfaktoren gibt und inwieweit die Einführung eines standardisierten Screenings für AIS hilfreich und umsetzbar wäre, sollte deshalb in weiteren Studien mit höheren Fallzahlen evaluiert werden.

Item Type: Thesis (PhD thesis)
Creators:
CreatorsEmailORCIDORCID Put Code
Erdmann, Svenjaserdmann@smail.uni-koeln.deUNSPECIFIEDUNSPECIFIED
URN: urn:nbn:de:hbz:38-789602
Date: 2025
Language: German
Faculty: Faculty of Medicine
Divisions: Faculty of Medicine > Orthopädie > Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Subjects: Medical sciences Medicine
Uncontrolled Keywords:
KeywordsLanguage
Adoleszente idiopathische SkolioseGerman
SkolioseGerman
Date of oral exam: 10 March 2025
Referee:
NameAcademic Title
Scheyerer, MaximilianProfessor Dr. med.
Siewe, JanProfessor Dr. med.
Refereed: Yes
URI: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/78960

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