Ameln, Simon von (2011). Eine hypofunktionelle Mutation in der Polynukleotid-Phosphorylase führt zu einer autosomal-rezessiven nicht-syndromalen Hörstörung. PhD thesis, Universität zu Köln.
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Abstract
Hörstörungen sind beim Menschen mit einer Prävalenz von 1 bis 2 auf 1000 Neugeborene die häufigste Erkrankung der Sinnesorgane. Kongenitale Hörstörungen können sowohl genetische als auch umweltbedingte Ursachen haben, wobei in Industrieländern mindestens 50-60% der Fälle frühkindlicher Taubheit auf eine genetische Ursache zurückzuführen sind. Im Rahmen dieser Arbeit sollte der ursächliche Gendefekt identifiziert werden, der in einer konsanguinen marokkanischen Familie für eine nicht-syndromale Form autosomal-rezessiver Hörstörung verantwortlich ist. In der untersuchten Familie sind drei Kinder von Geburt an taub, die Eltern und drei weitere Kinder sind nicht betroffen. Nachdem Mutationen in GJB2, dem häufigsten Taubheitsgen, ausgeschlossen werden konnten, wurde anhand der acht Familienmitglieder eine genomweite Kopplungsanalyse durchgeführt. Diese ergab einen putativ gekoppelten Locus mit einem LOD-Score von 2,7 auf Chromosom 2 und einen weiteren mit einem LOD-Score von 1,5 auf Chromosom 12. Durch die Analyse von zusätzlichen Mikrosatelliten-Markern konnte, da betroffene Individuen nicht den gleichen Haplotypen aufwiesen, der Locus auf Chromosom 12 ausgeschlossen werden. Die Kopplung des Locus auf Chromosom 2 hingegen konnte bestätigt werden. Diese Kandidatengenregion, die durch die Mikrosatellitenmarker D2S119 und D2S378 begrenzt wird, wurde entsprechend der Nomenklatur für autosomal-rezessive Taubheitsloci DFNB70 benannt und ist auf der Hereditary Hearing Loss Homepage registriert. Der DFNB70-Locus umfasst 13,2 Megabasen mit 49 annotierten Genen. Durch direktes Sequenzieren der kodierenden Exons und angrenzenden Spleiß-Stellen aller Gene innerhalb der gekoppelten Region wurde bei betroffenen Individuen eine einzelne homozygote nicht-annotierte Missense-Veränderung in dem Gen PNPT1 identifiziert. Der Austausch von Adenin nach Guanin an der Nukleotidposition 1424 (c.1424A>G) in PNPT1 hat auf Proteinebene eine Substitution von Glutaminsäure zu Glycin (p.E475G) zur Folge. Weder in mehr als 400 gesunden Kontrollindividuen unterschiedlicher ethnischer Herkunft noch in Datenbanken wie dbSNP oder dem Exome Variant Server konnte diese Mutation gefunden werden, wodurch ausgeschlossen werden konnte, dass es sich um einen häufigen Polymorphismus handelt. Die Polynukleotid-Phosphorylase (PNPase), die von PNPT1 kodiert wird, ist ein evolutionär hochkonserviertes Protein, das in Bakterien am RNA-Metabolismus beteiligt ist. Bei Säugetieren ist die PNPase im Intermembranraum von Mitochondrien lokalisiert und stellt das bisher einzig bekannte Protein dar, das den Import von RNAs in Mitochondrien vermittelt. Dieser Prozess ist sowohl für die Replikation als auch für die Transkription des mitochondrialen Genoms notwendig. Die kodierende Sequenz des PNPT1-Orthologs im Zebrafisch, welches bis dato nicht annotiert gewesen ist, konnte vollständig identifiziert und kloniert werden. Mittels in situ Hybridisierung konnte die Expression von PNPT1 in frühen Entwicklungsstadien des Zebrafisches aufgeklärt werden. Vergleichbar mit der embryonalen Letalität der bereits beschriebenen PNPT1-Knockout-Maus führte ein Morpholino-Knockdown des PNPT1-Gens zu schweren Störungen der frühen Zebrafischentwicklung. Sowohl für die Maus als auch für den Zebrafisch scheint die Funktion der PNPase von essentieller Bedeutung zu sein. Der immunhistochemische Nachweis der PNPase in der murinen Cochlea konnte deren Expression in dem betroffenen Organ, darunter insbesondere in den Haarzellen und in den Neuronen der Spiral- bzw. Vestibularganglien, belegen. In vitro Analysen in Bakterien, in der Hefe und in Säugetierzellen ergaben, dass die E475G Mutation ein hypofunktionelles Allel darstellt. In Komplementationsversuchen konnte z.B. gezeigt werden, dass exogen exprimierte bakterielle Wildtyp-PNPase das Wachstumsdefizit eines PNPase defizienten E. coli-Stämms signifikant besser ausgleichen konnte, als die entsprechende PNPase-Mutante. Sowohl in der Hefe als auch in Säugetierzellen sind die Trimerisierung der PNPase und der mitochondriale RNA-Import der RNase P RNA durch die E475G-Mutation beeinträchtigt. Der verringerte Import der RNase P RNA hat vermutlich zur Folge, dass die Prozessierung mitochondrialer Transkripte durch die RNase P gestört ist, wodurch es zu einer Akkumulation von unprozessierten Transkripten in der mitochondrialen Matrix kommen würde. Ähnlich wie durch Mutationen in mitochondrialen Genen, die bekanntermaßen zu Hörstörungen führen können, könnte die Akkumulation dieser Transkripte eine Erklärung für die Taubheit in der untersuchten Familie sein. Zusammenfassend konnte erstmalig gezeigt werden, dass eine beeinträchtigte Funktion der PNPase mit wahrscheinlich reduziertem mitochondrialen RNA-Import zu einer erblichen Hörstörung beim Menschen führen kann.
Item Type: | Thesis (PhD thesis) | ||||||||
Translated abstract: |
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Creators: |
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URN: | urn:nbn:de:hbz:38-47878 | ||||||||
Date: | 2011 | ||||||||
Language: | German | ||||||||
Faculty: | Faculty of Mathematics and Natural Sciences | ||||||||
Divisions: | Faculty of Mathematics and Natural Sciences > Department of Biology > Institute for Genetics | ||||||||
Subjects: | Life sciences Medical sciences Medicine |
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Uncontrolled Keywords: |
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Date of oral exam: | 7 December 2011 | ||||||||
Referee: |
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Refereed: | Yes | ||||||||
URI: | http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/4787 |
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