Korsch, Leonie Annina (2022). Symptomatik, Diagnostik und Therapie der kongenitalen tracheoösophagealen H-Fistel (Typ IV nach Vogt) in Abgrenzung zur sekundären tracheoösophagealen H-Fistel nach unvollständiger Korrektur einer Ösophagusatresie (Typ IIIa oder c nach Vogt) sowie einem Fistelrezidiv. PhD thesis, Universität zu Köln.

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Abstract

Die isolierte primäre (kongenitale) tracheoösophageale Fistel (pTÖF; primäre H-Fistel) beschreibt eine fistelförmige Verbindung zwischen Ösophagus und Trachea. Mit einer Inzidenz von 1:50.000-100.000 Lebendgeborenen handelt es sich um ein sehr seltenes Krankheitsbild, weshalb sich der Umfang der Literatur auf die retrospektive Betrachtung sehr kleiner Kohorten beschränkt. Nach Korrektur einer Ösophagusartresie kann durch unterbliebenen Verschluss einer proximalen TÖF im Falle einer ÖA Typ IIIa oder c nach Vogt oder ein Fistelrezidiv eine isolierte sekundäre tracheoösophageale H-Fistel (sTÖF; sekundäre H-Fistel) resultieren, deren Symptomatik sowie diagnostische und therapeutische Herangehensweise derer der pTÖF vielfach ähnelt. Ziel dieser Arbeit ist es, der geringen Zahl publizierter Patienten mit pTÖF eine relevante Anzahl weiterer Kasuistiken hinzuzufügen, um Erfahrungen zum Behandlungsmanagement dieser seltenen Fehlbildung, insbesondere hinsichtlich der Diagnosefindung und des operativen Vorgehens, beizutragen. Erfahrungen in der Behandlung von Kindern mit sTÖF können diese vielmals ergänzen oder zu neuen Behandlungsansätzen anregen. In diese retrospektive Studie wurden alle Kinder eingeschlossen, die zwischen dem 01.01.2004 und dem 31.12.2018 in der Kinderklinik Amsterdamer Straße der Kliniken der Stadt Köln gGmbH in der kinderchirurgischen Abteilung entweder wegen einer pTÖF operiert wurden oder bei denen ein operativer Verschluss einer sTÖF, entweder im Rahmen eines Fistelrezidives nach Korrektur einer ÖA/TÖF oder einer Fistelpersistenz nach unvollständiger Korrektur einer ÖA Typ IIIa oder IIIc, stattgefunden hatte. Einschlusskriterium war zusätzlich, dass als Operationsmethode ein collarer oder transthorakaler Fistelverschluss gewählt wurde. Nicht berücksichtigt wurden Patienten, bei denen eine TÖF unabhängig von einer tracheoösophagealen Fehlbildung aufgetreten war. Die Datenerfassung erfolgte mit den Patienteninformationssystemen Lorenzo, Clinic Center Programme, sowie Neodat mit den ICD-10 Diagnosen Q39.1 (Ösophagusatresie mit Ösophagotrachealfistel) und Q39.2 (Ösophagotrachealfistel ohne Atresie) (http://www.icd-code. de/icd/code/Q39.-.html; 04.02.2022). Die tabellarische Kollektion der Patientendaten sowie Ausarbeitung von Tabellen wurde mit dem Programm Microsoft Excel 2011 durchgeführt, für die statistische Auswertung der Daten wurde das Programm IMB SPSS Statistics Version 24 verwendet. Nach einer deskriptiven Analyse des gesamten Patientenkollektivs wurde die Gruppe der Patienten mit pTÖF (Gruppe 1) mit der Gruppe der Patienten mit sTÖF (Gruppe 2) verglichen. Im Falle numerischer Skalen wurde hierzu ein Chi-Quadrat-Test durchgeführt. Aufgrund der limitierten Patientenzahl wurde der exakte Wert nach Fischer als Signifikanzmaß verwendet. Weiterhin wurden T-Tests für unabhängige Stichproben und ein Levene-Test der Varianzgleichheit angewandt. Als 12 signifikant galt in beiden Testungen ein p≤0,05, entsprechend einem Signifikanzniveau von 95%. Zusätzlich wurden zusätzlich Einzelfallanalysen dargestellt. Innerhalb von 15 Jahren wurden 18 Patienten identifiziert, die den genannten Kriterien entsprachen. Hiervon wiesen 11 eine pTÖF (Gruppe 1) und 7 Patienten eine sTÖF (Gruppe 2) auf. Die Gesamtkohorte umfasst 13 männliche und 5 weibliche Patienten mit einem Verhältnis von 8:3 in Gruppe 1 und 5:2 in Gruppe 2 zugunsten des männlichen Geschlechtes. Das mütterliche Alter bei Geburt des Kindes betrug im Mittel in beiden Gruppen 30 Jahre. Zwei Patienten waren Spätfrühgeborene (34. beziehungsweise 36. SSW, beide aus Gruppe 1), alle übrigen Kinder waren termingerecht geboren. Das Geburtsgewicht betrug im Mittel 2750g (SDS: -1,01) (Gruppe 1) beziehungsweise 3131g (SDS: -0,34) (Gruppe 2), mit einer größeren Varianz innerhalb der Gruppe 2. 6 Patienten (45,5%) der Gruppe 1 und 4 (57,1%) der Gruppe 2 wiesen eine oder mehrere Begleitfehlbildungen auf, wobei in beiden Gruppen kardiale (ASD, VSD, hypoplastisches Linksherzsyndrom, Transposition der großen Arterien), gastrointestinale (Duodenalatresie, intestinale Malrotation, Meckel-Divertikel) und urogenitale (Hufeisenniere, Maldescensus testis, Mikropenis, Kloakenfehlbildung, Uterus et Vagina duplex, Zystennieren, Hydronephrose mit Megaureter) Fehlbildungen dominierten; ein Patient (Gruppe 1) wies eine CHARGE- und eine Patientin (Gruppe 2) eine VACTERL-Assoziation auf. Die häufigsten Symptome durch die TÖF waren „Husten während der Nahrungsaufnahme“ (6/11 in Gruppe 1, 2/7 in Gruppe 2) und „rezidivierende Bronchopneumonien“ (3/11 in Gruppe 1, 4/7 in Gruppe 2), seltener traten Schluckstörungen (2/11 in Gruppe 1, 1/7 in Gruppe 2) oder Trinkverweigerung/Trinkschwäche (1/11 in Gruppe 1, 0/7 in Gruppe 2) auf. Soweit dokumentiert wurden die ersten Symptome im Median am 1. Lebenstag (Gruppe 1) beschrieben, Gruppe 2 ist diesbezüglich aufgrund der unterschiedlichen Krankheitsentitäten nicht repräsentativ. Entsprechendes gilt für das Alter bei Diagnosestellung in Gruppe 2. In Gruppe 1 lag dieses im Median bei 19 Tagen, in Gruppe 2 bei 44 Tagen, wobei die Differenz zwischen Alter bei Symptombeginn und Diagnosestellung in Gruppe 1 bei im Median 10 Tage und in Gruppe 2 15 Tage betrug. Zu betonen ist dabei die große zeitliche Varianz in beiden Gruppen, wie es die im Ergebnisteil dargestellten Fallvignetten (4.4.1 Besonderheiten im Verlauf) im Einzelnen dokumentieren. Die TÖF am wurde am häufigsten (9/18) primär durch eine Laryngotacheoskopie alleinig oder in Kombination mit einer Ösophagoskopie diagnostiziert (Detektionsrate 90%). Eine Ösophagus-Breischluck-Untersuchung war bei 6/18 Patienten (Detektionsrate 66,7%) und ein MRT in Kombination mit einer nicht näher bezeichneten Endoskopie bei einem Patienten Mittel der Primärdiagnostik. Spezifika zur Diagnostik im Einzelnen werden in den Kasuistiken des Kapitels „4.4.4 Tracheoskopische und ösophagoskopische Darstellung der TÖF“ dargestellt. 13 Bei 16/18 Patienten wurde die Diagnose der TÖF im Rahmen der Primärdiagnostik oder unmittelbar präoperativ erneut tracheoskopisch bestätigt. Bei 14 Patienten war die intraoperative Darstellung der TÖF durch eine tracheoskopisch eingebrachte Schienung, hiervon in 11 Fällen durch einen Ureterkatheter, dokumentiert. Die Fistelmündung lag bei 13 der 18 Patienten (8/11 in Gruppe 1, 5/7 in Gruppe 2) im oberen Drittel der Trachea. Bei 3 Patienten aus Gruppe 1 befand sich diese im mittleren und lediglich bei den beiden Patienten mit einem distalen Fistelrezidiv nach Korrektur einer ÖA/TÖF (Gruppe 2) im unteren Drittel der Trachea. Der operative Verschluss der TÖF fand im Gesamtkollektiv im Median am 59. Lebenstag (23. Lebenstag in Gruppe 1, 71. Lebenstag in Gruppe 2) statt; die Differenz des Alters bei Erstdiagnose und des Alters bei operativem Verschluss der TÖF betrug in Gruppe 1 im Median 6 Tage und in Gruppe 2 12 Tagen; beides ohne statistische Signifikanz. Bei 16 Patienten (11/11 in Gruppe 1, 5/7 in Gruppe 2) wurde die TÖF über einen rechtsseitigen zervikalen Zugang verschlossen, wobei bei einem Patienten der Gruppe 2 zusätzlich eine rechtsseitige Re-Thorakotomie zur Resektion eines Trachealdivertikels in Lokalisation der ehemaligen distalen TÖF im Rahmen einer ÖA/TÖF durchgeführt wurde. Die übrigen 2 Patienten der Gruppe 2 wurden zum Fistelverschluss rethorakotomiert, da sich das Rezidiv der TÖF im unteren Trachealdrittel befand. Bei den zervikotomierten Kindern wurde der N. laryngeus recurrens dexter regelhaft intraoperativ dargestellt. Mehrheitlich wurde ein Fistelverschluss mit Einzelligaturen unter Verwendung resorbierbaren Nahtmaterials durchgeführt. In ca. einem Drittel der Fälle wurde zusätzlich ein Clipping des Trachea- und Ösophagus-nahen Fistelendes und bei einem weiteren Drittel eine Übernähung der Fistelstumpfe durchgeführt; bei keinem der Patienten wurden Clipping und Übernähung kombiniert. Die TÖF wurde durchtrennt, ohne dass zusätzlich ein Gewebeinterponat zwischen den Fistelstümpfen platziert wurde. In der Hälfte der dokumentierten Fälle wurde eine Versiegelungsmatrix (TachoSil®) im Bereich der ehemaligen TÖF zwischen Ösophagus und Trachea eingebracht; bei Einzelnen kam Fibrinkleber (Tisseel®) zum Einsatz. Bei 9 von 16 dokumentierten Patienten wurde eine Wunddrainage eingelegt. In etwas mehr als der Hälfte der Fälle ist eine perioperative antibiotische Therapie dokumentiert. Jeweils 5 Kinder (45,5 % der Gruppe1 und 71,4% der Gruppe 2) wurden nachbeatmet. Im Median betrug die Nachbeatmungszeit 0 Tage in Gruppe 1 und 2 Tage in Gruppe 2, ohne dass ein statistisch signifikanter Gruppenunterschied bezüglich der Notwendigkeit oder der Dauer einer postoperativen Nachbeatmung bestand. Der enterale Kostaufbau via Magensonde wurde in Gruppe 1 im Mittel am 2,5. und in Gruppe 2 am 7,3. postoperativen Tag begonnen; 2 Patienten blieben bis zur Kontrastdarstellung des Ösophagus nüchtern. Eine Ösophagus- Breischluck-Untersuchung wurde postoperativ bei 68,8% der Kinder durchgeführt. Die orale 14 Nahrungsaufnahme wurde in Gruppe 1 im Mittel am 15., in Gruppe 2 am 19. postoperativen Tag begonnen. Bei 4/11 Patienten der Gruppe 1 und 3/7 Patienten der Gruppe 2 wurde im postoperativen Verlauf eine unmittelbare, operationsbezogene Komplikation festgestellt; bei keinem Patienten trat mehr als eine Komplikation auf. Zwei Kinder der Gruppe 1 und ein Kind der Gruppe 2 wiesen nach rechtsseitigem collaren Verschluss der TÖF eine klinisch apparente, rechtsseitige Stimmbandparese auf; diese war bei 2 Patienten in einer Kontroll-LTS nicht mehr präsent; bei einem Patienten der Gruppe 1 wurde wegen klinischer Beschwerdefreiheit auf eine endoskopische Kontrolle verzichtet. Ein Kind aus Gruppe 2 entwickelte postoperativ eine ösophageale Leckage, ein Kind aus Gruppe 1 eine Ösophagusstenose in Bereich der ehemaligen pTÖF. Kein Patient wies eine Wundinfektion auf. Bei zwei Kindern, je eines aus jeder Gruppe, verstärkte sich postoperativ eine vorbestehende Tracheomalazie, wobei diese bereits bei einem Kind aus Gruppe 1 und bei 6 Kindern aus Gruppe 2 präoperativ vorbeschrieben war. Dabei hatte eine vorbestehende Tracheomalazie einen Einfluss auf die Nachbeatmungsphase nach Zervikotomie, welche ohne Tracheomalazie bei durchschnittlich 0,4 Tagen und bei bekannter Tracheomalazie bei 5,3 Tagen lag. Im Verlauf wurde bei 6 Patienten (2 aus Gruppe 1, 4 aus Gruppe 2) ein GÖR festgestellt. Bei 15 von 18 Patienten (8/11 in Gruppe 1, 7/7 in Gruppe 2) wurde im Abstand von 4 Wochen bis 3 Monaten erneut eine LTS in Kombination mit einer Ösophagoskopie zur Befundkontrolle durchgeführt, bei 2 Kindern (Gruppe 1) wurde wegen klinischer Beschwerdefreiheit hierauf verzichtet; ein Kind wurde nicht wieder vorgestellt. Im Rahmen der Spezialsprechstunde für Patienten mit komplexen Fehlbildungen wurden 10 (Gruppe 1: N=4, Gruppe 2: N=6) der 18 Patienten auch über den kurzfristigen postoperativen Verlauf hinaus zur Nachsorge vorstellig. Hier betrug das Alter der Kinder im Durchschnitt 8,9 Jahre (1,73-13,77 Jahre; 8,2 Jahre in Gruppe1, 9,4 Jahre in Gruppe 2). Sieben Familien (4 in Gruppe 1, 3 in Gruppe 2) berichteten über eine gute Lebensqualität ohne Einschränkungen des Kindes im Alltag. Bei einem Patienten der Gruppe 2 war es einmalig zu einer Bolusimpaktion gekommen; eine Ösophagusbougierung war dennoch bei keinem Patienten notwendig geworden. Zwei Patienten der Gruppe 2 wurden weiterhin wegen eines GÖR mit Omeprazol behandelt. Ein Kind der Gruppe 1 erhielt wegen eines ADHS Methylphenidat. Darüber hinaus wurde bei keinem Patienten über eine Dauermedikation berichtet. Hinsichtlich der auxologischen Parameter wiesen die Kinder beider Gruppen im Mittel ein Gewicht unter dem alterskorrelierten Durchschnitt auf (Mittelwert-SDS: -0,38 in Gruppe 1, Mittelwert-SDS: -0,26 in Gruppe 2), ohne dass ein statistisch relevanter Gruppenunterschied bestand. Bezüglich der Körpergröße lagen die Kinder der Gruppe 1 mit einem SDS von im Mittel -0,53 unter denen der Gruppe 2 mit einem SDS von im Mittel 0,38, wiederum ohne statistisch relevanten Gruppenunterschied. Der BMI in beiden Gruppen war mit einem 15 Mittelwert-SDS von -0,07 in Gruppe 1 und -0,66 in Gruppe 2 im Vergleich zum Altersdurchschnitt erniedrigt, ebenfalls ohne statistische Signifikanz im Gruppenvergleich. In der Zusammenschau ergaben sich damit weder klinisch bedeutsame Abweichungen der auxologischen Parameter Gewicht, Größe und BMI von altersgleichen Kindern noch zwischen den beiden TÖF-Gruppen. Vergleichbar mit den wenigen Publikationen zum Thema der pTÖF besteht die größte Limitation auch unserer Arbeit in der geringen Anzahl der Patienten. Dies wirkt sich nicht nur negativ auf die Validität statistischer Aussagen aus, sondern bedingt darüber hinaus eine Überbewertung individueller Patientenmerkmale. Diese Verzerrung spiegelt sich auch in der unterschiedlichen Qualität der häufig auswärtig durchgeführten Primärdiagnostik wider. Wegen der Seltenheit des Krankheitsbildes sowie in Ermangelung valide geprüfter Behandlungsstrategien in der Literatur wird daher empfohlen, alle Kinder mit Verdacht auf eine TÖF einem Zentrum mit besonderer Expertise in der Diagnostik und Therapie von Kindern mit tracheoösophagealen Fehlbildungen zu zuweisen. Eine entsprechende Zentralisierung würde die Durchführung prospektiver Studien ermöglichen, um mit hinreichenden Fallzahlen Behandlungsstrategien (diagnostische Primärverfahren, operatives Vorgehen, postoperative Versorgung und Umgang mit Komplikationen) valide zu prüfen und zu optimieren; dies begleitet von einer Dokumentation der körperlichen und psychosozialen Langzeitentwicklung dieser Kinder.

Item Type: Thesis (PhD thesis)
Creators:
CreatorsEmailORCIDORCID Put Code
Korsch, Leonie AnninaUNSPECIFIEDUNSPECIFIEDUNSPECIFIED
URN: urn:nbn:de:hbz:38-646045
Date: 21 December 2022
Language: German
Faculty: Faculty of Medicine
Divisions: Externe Einrichtungen
Subjects: Medical sciences Medicine
Uncontrolled Keywords:
KeywordsLanguage
Tracheoösophageale H-FistelGerman
Date of oral exam: 31 October 2022
Referee:
NameAcademic Title
Boemers, Thomas MichaelProfessor Dr. med. Dr. h.c.
Refereed: Yes
URI: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/64604

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