Locher, Jan Philipp (2023). Intravenöse Thrombolyse in einem Krankenhaus der Maximalversorgung in Nordgriechenland im Zeitraum von 2004-2021 - Eine retrospektive Beobachtungsstudie in Zusammenarbeit mit dem SITS-Register. PhD thesis, Universität zu Köln.

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Abstract

Das Schlaganfallzentrum des Papageorgiou-Krankenhauses (GRPAP) führte im Jahr 2004 als zweites Krankenhaus in Griechenland die intravenöse Thrombolyse (IVT) für die Behandlung des akuten ischämischen Hirninfarkts ein. Bis September 2021 wurden in diesem Krankenhaus auf nationaler Ebene die zweitmeisten Therapien durchgeführt (n=221). Verglichen mit dem internationalen Gesamtkollektiv des SITS-Registers wiesen die in dieser Klinik behandelten Patienten häufiger eine Hyperlipidämie und einen Nikotinkonsum auf. Das Durchschnittsalter der Patienten des GRPAP war zum Zeitpunkt der Therapie niedriger als der internationale Durchschnitt; Herzinsuffizienz oder vorangegangene Schlaganfälle lagen seltener vor. Prozesszeiten wie die Door-to-Needle-Time (DNT) gelten als Qualitätsindikator der Schlaganfallbehandlung. Die Analyse der Prozesszeiten zeigte über den Beobachtungszeitraum gegenläufige Entwicklungen. Während die Korrelation zwischen Zeitverlauf und Dauer der Onset-to-Arrival-Time (OAT) einen statistisch signifikanten und gleichsinnig positiven Zusammenhang aufwies (ρ=0,176; p=0,020), zeigte sich ein nicht signifikanter Trend bei dem sich die DNT verkürzte (ρ=-0,083; p=0,272). Der höchste Grad der Korrelation zwischen einem Prozessintervall mit der unabhängigen Variablen (Zeit) konnte für die Onset-to-Treatment-Time (OTT) festgestellt werden (ρ=0,233; p=0,002). Hieraus ergab sich die Schlussfolgerung, dass bei einem späteren Therapiezeitpunkt innerhalb des Beobachtungszeitraums tendenziell eine Verlängerung der OTT vorlag. Eine Erklärung für diese Beobachtungen war, dass sich das Einzugsgebiet des GRPAP ausweitete. Das vor Ort praktizierte Rotationssystem mit einem erheblichen Patientenaufkommen erschwerte die zeitgerechte Versorgung, da eine Vielzahl an Patienten parallel versorgt werden musste. Trotz umfassender Erfahrung mit der Thrombolyse wurde nur eine überschaubare Beschleunigung der intraklinischen Prozesszeiten erreicht. Die Beobachtung, dass Zentren mit höheren Therapiezahlen (>100 IVT) tendenziell längere Prozessintervalle aufwiesen, unterstrich, dass ein höheres Patientenvolumen zu längeren Prozesszeiten führte. Patienten mit einer DNT ≤60 Minuten wiesen eine längere OAT auf als diejenigen mit einer DNT >60 Minuten (89,7 vs. 75,0 Minuten; p=0,044; Cohen d=0,397). Dieses Ergebnis bedeutete, dass Lysepatienten im Falle einer späteren Vorstellung eine raschere Therapieeinleitung erfuhren, da die prätherapeutische Diagnostik aufgrund zeitlicher Begrenzungen beschleunigt werden musste. Der Zeitraum zwischen Vorstellung und Bildgebung war essentiell für einen raschen Therapiebeginn, da Studienteilnehmer mit einer DNT ≤60 Minuten durchschnittlich eine kürzere Arrival-to-Imaging-Time (AIT) aufwiesen (26,7 vs. 47,5 Minuten, p<0,001; Cohen d= 0,927). Weitere Prädiktoren für eine kürzere DNT wurden nicht identifiziert; gehobenes Alter, die neurologische Defizitausprägung in Form des Punktwerts der National Institutes of Health Stroke Scale (NIHSS), das Geschlecht der Patienten und der systolische Blutdruck wirkten sich nicht negativ auf eine rasche Therapieeinleitung aus. Bei der Bewertung der Therapiesicherheit zeigte sich, dass der prozentuale Anteil der GRPAP-Patienten mit nachgewiesener symptomatischer intrakranieller Hämorrhagie (SICH) unterhalb des international festgestellten Wertes lag, sich dieser jedoch oberhalb des nationalen Durchschnitts befand. Diese Feststellung traf sowohl auf die NINDS-Kriterien (National Institutes of Neurological Diseases and Stroke), als auch auf die ECASS-Kriterien zu (European Cooperative Acute Stroke Study). Die Risikodifferenz (RD) bezüglich des Auftretens von SICH zwischen den GRPAP-Patienten und den Werten der gesamten Datenbank betrug 1,71% mit einem 95%-Konfidenzintervall (95%-KI) von -1,13 bis 4,54; bzw. 0,82% mit einem 95%-KI von -1,73 bis 3,37; somit bestand kein gesicherter Unterschied. Dies galt ebenfalls für die Mortalitätsrate nach drei Monaten, wobei die RD 1,43% betrug (95%-KI: -2,83 bis 5,68). Für das erste Jahr der SARS-CoV-2-Pandemie (2020) ließ sich kein signifikanter Rückgang der Thrombolysezahlen feststellen. Verglichen mit den Vorjahren verkürzten sich die durchschnittlichen Prozesszeiten der OAT, DNT und OTT ohne ein statistisch signifikantes Ausmaß zu erreichen. Eine mögliche Erklärung ist die pandemieassoziierte Minderung der Patientenvorstellungen aufgrund subakuter und chronischer Beschwerden mit einer resultierenden Fokussierung auf zeitkritische Notfälle. Unter Pandemiebedingungen wurde festgestellt, dass die medianen NIHSS-Punktzahlen höher ausfielen als im gleichen Zeitraum der Vorjahre, sodass Patienten mit weniger ausgeprägten Beschwerden wahrscheinlich eher eine zeitnahe Vorstellung herauszögerten oder gänzlich vermieden. Ein statistisch signifikantes Ergebnis wurde jedoch marginal verfehlt (p=0,050). Die Feststellung, dass Patienten während der Pandemiezeit Verlaufsuntersuchungen mit der dazugehörigen Erhebung des Scorewerts der modifizierten Rankin Skala (mRS) signifikant seltener wahrnahmen, stellt eine versorgungsmedizinisch wichtige Herausforderung der COVID-19- Pandemie dar.

Item Type: Thesis (PhD thesis)
Creators:
CreatorsEmailORCIDORCID Put Code
Locher, Jan Philippjanphilipp.locher@gmx.netUNSPECIFIEDUNSPECIFIED
URN: urn:nbn:de:hbz:38-654568
Date: 2023
Language: German
Faculty: Faculty of Medicine
Divisions: Faculty of Medicine > Neurologie > Klinik und Poliklinik für Neurologie
Subjects: Medical sciences Medicine
Uncontrolled Keywords:
KeywordsLanguage
Intravenöse ThrombolyseUNSPECIFIED
Zerebrale IschämieUNSPECIFIED
SITS-RegisterUNSPECIFIED
Date of oral exam: 13 February 2023
Referee:
NameAcademic Title
Rudolf, JobstProfessor Dr. med.
Burghaus, LotharPrivatdozent Dr. med.
Refereed: Yes
URI: http://kups.ub.uni-koeln.de/id/eprint/65456

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