Translated abstract: |
Abstract | Language |
---|
Das Braess-Paradoxon ist ein kontraintuitives Phänomen, welches in Verkehrsnetzen mit egoistischen Nutzern auftreten kann. Es besagt, dass das Hinzufügen einer neuen Straße zu einem Verkehrsnetzwerk unter bestimmten Umständen zu längeren Reisezeiten für alle Nutzer führen kann. Dies kann wichtige Konsequenzen für die Planung neuer und den Ausbau bestehender Verkehrsnetzwerke haben, da die naive Annahme, dass zusätzliche Straßen immer zu einer besseren Verkehrssituation führen, nicht immer zutrifft. Um negative Folgen vom Bau neuer Straßen zu verhindern, ist ein detailliertes Verständnis des Paradoxons essenziell. Dies
ist insbesondere wichtig, da die Kapazitäten der Straßennetzwerke vieler großer Städte schon lange erreicht und der Platz für den Bau neuer Straßen begrenzt ist.
Trotz vieler Beispiele, welche darauf hindeuten, dass das Paradoxon in echten Straßennetzwerken auftritt, fehlt ein fundiertes Verständnis dieses Effekts. Die meisten bisherigen Arbeiten zu diesem Thema basierten auf deterministischen mathematischen Modellen, deren Ergebnisse sich nicht direkt auf reale Verkehrsnetze übertragen lassen. Darin wurden einige stark vereinfachende Annahmen getroffen. Die Beschreibung des Verkehrsflusses wurde auf Reisezeitfunktionen beschränkt, welche linear mit der Anzahl der Autos auf den Straßen zunehmen. Weiterhin wurde angenommen, dass allen Nutzern fehlerfreie Verkehrsinformationen zur Verfügung stehen und dass sie ihre Routen auf dieser Basis komplett rational wählen.
In dieser Arbeit wird das Verständnis des Paradoxons auf eine realistischere Basis gehoben. Dazu werden Netzwerke aus total asymmetrischen Exklusionsprozessen ("totally asymmetric exclusion process", TASEP) in Bezug auf das Braess-Paradoxon untersucht. Der TASEP beschreibt Autos als Teilchen, welche auf einem eindimensionalen Gitter springen. Er ist ein einfaches stochastisches Transportmodell, welches mikroskopische Wechselwirkungen beinhaltet und eine nichtlineare Fluss-Dichte Relation aufweist. Auch Reisezeitfunktionen von TASEPs haben eine annähernd realistische Form, sie sind monoton wachsend und divergieren
bei maximalen Dichten. Der TASEP kann nicht alle Phänomene von echtem Straßenverkehr beschreiben, bildet jedoch viele Effekte ab, welche in vorheriger Forschung oft vernachlässigt wurden.
Die Netzwerkstruktur, welche in Braess ursprünglicher Veröffentlichung benutzt wurde, wird in verschiedenen Varianten analysiert, wobei der Verkehrsfluss im Netzwerk durch TASEPs beschrieben wird. Verschiedene Randbedingungen, Routenwahlverfahren und Dynamiken werden betrachtet. Zunächst werden die Entscheidungen der Nutzer extern festgelegt. Dies bedeutet, dass die Nutzer nicht intelligent entscheiden, welche Routen sie wählen, sondern dass diese extern vorgegeben werden. Durch Vergleiche der Nutzeroptimumszustände ("user optimum states") der Netzwerke mit und ohne neue Straße wird gezeigt, dass das Paradoxon in solchen Netzwerken grundsätzlich auftreten kann.
Es wird gezeigt, dass das Braess-Paradoxon in großen Bereichen des Phasenraumes des Braess-Netzwerkes mit periodischen Randbedingungen und zufällig-sequentieller Dynamik auftritt. Verkehrsstillstände können in großen Bereichen des Phasenraumes gefunden werden, falls fixe Anzahlen von Nutzern bestimmte Routen wählen. Wenn Nutzer hingegen mit festgelegten Wahrscheinlichkeiten auf die Routen verteilt werden, sind in großen Bereichen des Phasenraumes starke Fluktuationen in den Reisezeiten zu beobachten.
Unerwartete Phasen, in welchen das System potentiell zwischen nicht-stabilen Zuständen oszilliert können bei offenen Randbedingungen und zufällig-sequentieller Dynamik festgestellt werden. Das Braess-Paradoxon wird hier indirekt beobachtet, da eine resultierende Zunahme der Reisezeiten erwartet wird, falls dieses System von "intelligenten" Teilchen genutzt wird.
Die Untersuchung der Netzwerke wird komplizierter, wenn parallele statt zufällig-sequentieller Dynamik verwendet wird. In diesem Fall werden Ampeln eingesetzt um potentielle Konflikte an Kreuzungen zu vermeiden. Das Braess-Paradoxon tritt auch in diesem Fall auf.
Zusätzlich zu der Erkenntnis, dass das Braess-Paradoxon in TASEP Netzwerken beobachtet werden kann, werden Phasendiagramme für alle untersuchten Varianten des Netzwerkes präsentiert, welche die Auswirkungen des Hinzufügens einer neuen Straße detaillierter beschreiben.
Das Braess-Paradoxon tritt auch auf, wenn Teilchen ihre Routen individuell intelligent wählen. Im zweiten Teil der Arbeit wird ein Routenwahlalgorithmus implementiert und am
Beispiel des Braess-Netzwerkes mit periodischen Randbedingungen getestet. Verschiedene Arten von Verkehrsinformationen werden als Grundlage des Algorithmus genutzt und alle Teilchen wählen ihre Route individuell darauf basierend. Das Paradoxon tritt auf, wenn Teilchen
Entscheidungen basierend auf ihren eigenen Erfahrungen treffen. Es tritt ebenfalls auf, wenn die Entscheidungen auf Abschätzungen zukünftiger Reisezeiten basieren, welche für alle Teilchen zugänglich sind. Diese Abschätzungen werden auf Basis der aktuellen Positionen aller Teilchen im System berechnet. Dies kann als Näherung von Verkehrsinformationen, wie sie von Smartphone-Apps zur Verfügung gestellt werden, verstanden werden. Es wird weiterhin gezeigt, dass das Paradoxon auftritt, wenn einige Nutzer ihre Entscheidungen auf Basis von persönlichen Erfahrungen und der Rest basierend auf ̈offentlich zur Verfügung stehenden
Informationen treffen. Dies beschreibt die Situation von Pendlern im Berufsverkehr. Die erzielten Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung des Braess-Paradoxons für reale Verkehrsnetzwerke. | German |
|